Aufgrund einer defekten Kupplung in Bolivien, der Abreise aus Buenos Aires, statt wie vorgesehen aus São Paulo - den Transport der Bikes in Brasilien zu organisieren dauert eine halbe Ewigkeit - und eines zum falschen Zeitpunkt abgefahrenen Reifens, kamen Martin und Sebastian am Ende ihrer Reise noch gehörig unter Zeitdruck.

"Bitte entschuldigt in diesem Beitrag die bescheiden Qualität einiger Fotos. Leider ging unsere kleine Digitalkamera in Bolivien verloren und die
Spiegelreflex wollten wir dann doch nicht nach São Paulo und Rio mitnehmen - es mussten also unsere Handies herhalten... Wir danken für euer Verständnis!"

Wir verlassen Bolivien und überqueren die Grenze zu Paraguay. Ab jetzt ist Gas geben angesagt, da wir verlorene Zeit wieder aufholen müssen. Deshalb kommen wir an diesem Tag nach spannender aber auch unglaublich anstrengender Fahrt nicht vor zwei Uhr morgens in Mariscal José Félix Estigarribia (die Stadt heißt tatsächlich so) an.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Die Fahrt durch Paraguay dauert genau zwei Tage. Das Land zeigt sich entlang der Hauptstraße wunderbar grün und erweist als Vogelparadies: Störche wie Reiher scheinen hier doppelt so groß zu sein als zuhause und sogar ein Kakadu fliegt einmal vor uns über die Straße.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Wieso dieses schlechte und nichts sagende Foto, werdet ihr euch vielleicht fragen. Ganz einfach darum, weil es nicht alltäglich ist, dass man mitten in Paraguay, in der Hauptstadt Asuncion um genau zu sein, zufällig von einem waschechten Wiener aus Favoriten aufgelesen wird: "Seas - I bin da Hoastl! Sad's es echt a aus Wean?", wird Martin angesprochen. Wenig später sitzen wir schon beim Auswanderer und sind zum Essen und zum Nächtigen eingeladen. Wir sagen Danke!

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Nach einer kurzen Nacht geht es eilig weiter in Richtung Brasilien. Wir machen in Foz do Iguaçu halt. Dieses Naturschauspiel ist wieder mal nicht in Worte zu fassen!

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

So sehr wir den Anblick der Wasserfälle genießen, so 'schwummrig' wird es Sebastian als er versucht, seine KTM zu starten, diese aber nicht den leisesten 'Muckser' von sich gibt. Mit Hilfe eines Nationalpark-Mitarbeiters bekommen wir KTM Curitiba ans Telefon. Verdächtigt wird das Kabel der elektronischen Wegfahrsperre, welches beim Unfall in Chile in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnte. Nach gefühlten 100 Startversuchen kommt es dann doch zu einem eher zufälligen Kontakt und das Bike springt an. Die nächsten 600 Kilometer trauen wir uns nicht, das Motorrad abzustellen und es ist 18 Uhr abends. Zehn Stunden später kommen wir komplett fertig um vier Uhr früh in Curitiba an, wo uns die Burschen von KTM das Kabel kostenlos reparieren! Dass Curitiba die Stadt mit der höchsten Mordrate Brasiliens ist, erfahren wir zum Glück erst später.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Der nächste Stop ist in Blumenau angesetzt, wo wir Cristiano, einen Freund von Martin treffen. Wir begleiten ihn auf ein Pils, ein Weizenbier und ein Dunkles. Wir sind ob des starken deutschen Einschlags in dieser Gegend, den wir zwar ein wenig erwartet hatten, ehrlich verblüfft! In Blumenau findet übrigens alljährlich das brasilianische Oktoberfest statt.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Weiter geht es mit dem Bus, denn mit den Bikes wollten wir ungern die Straßen São Paulos oder Rio de Janeiros unsicher machen. In Rio angekommen versteht man schnell, weshalb die ganze Welt von dieser Stadt schwärmt: ein traumhafter
Strand, sauberes Wasser, starker Wellengang und ein gewaltiger Körperkult, der für Frauen und Männer gleichsam gilt.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Street Art à la Brazil.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Der Blick über die Stadt zum Zuckerhut ist ein Highlight, genauso wie das abendliche Feiern in den Straßen von Lapa, einem Stadtteil Rios!

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Nach einer aufregenden Woche in Rio geht es wieder nach Blumenau, wo wir unsere Bikes geparkt haben. Eigentlich sollten nur noch etwa 1.200 Kilometer bis nach Buenos Aires gefahren werden, von wo wir die Bikes versenden wollten. Leider macht Sebastians Reifen nicht mit, weshalb in höchster Not ein Neuer gefunden werden muss, was in Brasilien alles andere als leicht ist, wie sich schnell herausstellen sollte.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Nach einigen Telefonaten können wir endlich einen Händler lokalisieren, der einen passenden Reifen für 360 Euro montiert. Plötzlich steht ein Fernsehteam im Laden, um uns "Weltreisende" für eine regional ausgestrahlte Sendung vor die Kamera
zu zitieren. Anschließend werden wir, nach einem improvisierten BBQ vor dem Geschäft, von einigen schaulustigen Bikern bis zu den Toren der Stadt geleitet. Wieder einmal ein ausgesprochen nettes Erlebnis!

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Jetzt haben wir es richtig eilig, da die Fähre von Uruguay nach Buenos Aires schon gebucht ist. Die Fahrt beginnt perfekt, das Wetter passt und auf der Autobahn rasen wir mit bis zu 150 km/h dahin. Bis es dunkel wird und wir uns plötzlich in einem donnernden Platzregen wiederfinden. Martin stürzt sogar einmal als er versucht, kurz auf dem Pannenstreifen zu halten, weil er bei dem Wolkenbruch die Straße vor Augen nicht mehr sieht. Wir sind heilfroh, als wir zufällig ein Hotel finden. Somit fehlen uns aber ca. 200 Kilometer zum geplanten Etappenziel. Am nächsten Tag müssen wir allerdings unbedingt bei der Fähre
ankommen und es warten immer noch 800 Kilometer auf uns.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Wir kommen nach rund 15-stündiger Fahrt um 23 Uhr patschnass und vor Kälte komplett verkrampft in Colonia del Sacramento an und müssen so  - bei gefühlten -10 Grad - bis zur Abfahrt der Fähre um vier Uhr früh ausharren. Am nächsten Morgen kommen wir am Hafen in Buenos Aires an und erleben unseren letzten Sonnenaufgang in Südamerika.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Vom Schiffshafen aus geht es direkt zum Flughafen, wo wir dank ausgesprochen hilfreicher Mitarbeiter von Lufthansa unsere Bikes für den Flugtransport nach Frankfurt fertig machen.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Los geht der Kurztrip durch Buenos Aires: "La Boca", ein Hafenviertel, welches für seine farbenfrohen Häuser und den Fussballklub "Boca Juniors" bekannt ist. Angeblich stammt auch der Erzrivale River ursprünglich aus diesem Viertel. Maradona wird hier regelrecht vergöttert!

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Am Friedhof La Recoleta, der stark an den Père Lachaise in Paris oder die Friedhöfe in New Orleans erinnert.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Am sonntäglichen Floh- und Kunstmarkt von San Telmo.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Buenos Aires erkunden wir übrigens mit Alex, einem Freund von Sebastians Bruder und seiner argentinischen Freundin, die uns durch die ganze Stadt chauffieren. Somit können wir in kurzer Zeit doch recht viel sehen. Im Bild zu sehen ist der königliche Palast, auch Barbie Haus genannt - keine Ahnung wieso ...

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Ohne eine Steak gegessen zu haben verlassen wir Argentinien natürlich nicht! Und man kann sagen: einfach traumhaft.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Dann geht es zurück nach Europa. Wir haben eine wunderbare Zeit in Südamerika verbracht, doch nun spüren wir, dass die Reise allmählich leider zu Ende geht.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

In Deutschland angekommen, dürfen wir uns über schöne menschliche Begegnungen freuen. Bei der Einfahrt nach München werden wir sogar von zwei freundlichen, motorradbegeisterten Polizisten zum Hotel eskortiert! Einer davon kommt zwei Wochen später dann zu unserer "Welcome Back Party" nach Wien - einfach unglaublich!

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Und dann ist es soweit - nach einem Jahr, 30 Ländern und insgesamt 50.000 Kilometern sind wir zurück in Österreich! Richtung Osten ging es los, von Westen kommen wir zurück. Ein unbeschreibliches Gefühl zwischen Freude, Stolz und
auch Traurigkeit, dass das alles nun zu Ende sein soll.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

In Mattighofen statten wir KTM einen Besuch ab und man hilft uns, die Bikes "Pickerlready" zu machen.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Wir machen uns auf die letzten Kilometer. Der Weg führt uns durch das Gesäuse und man muss es einfach laut herausschreien:"Österreich ist unglaublich schön!" Nach allem, was wir auf unserer Reise gesehen haben, freuen wir uns enorm, dass es auch in der Heimat so toll ist!

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Die letzte Nacht vor der Ankunft verbringen wir gemeinsam mit einem Freund auf einer Hütte in der Nähe von Admont - ein Traum!

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Am letzten Tag passiert dann doch noch das was einfach passieren musste: Wir werden von einem hochmotivierten, jungen Polizisten aufgehalten und es gibt tatsächlich einen Strafzettel - allerdings für einen unserer Freunde, der uns auf
den letzten Zügen der Reise begleitet. Wir selbst bleiben verschont, auch wenn der Mann in Blau uns "eine Strafe für fehlende Reflektoren am Heck" geben könnte - und das nach strafzettelfreien 50.000 Kilometern! Einfach herrlich!

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

In der Nähe von Hainfeld am Bauernhof von Sebastians Vater treffen wir endlich Familie, Freunde und Bekannte. Am
wichtigsten dabei sind jedoch Martin und Eva. Die beiden haben ein Jahr (mit drei kurzen Ausnahmen) ohne einander bravourös gemeistert. Sebastian bedankt sich an dieser Stelle noch einmal bei Eva für den kostenfreien Verleih ihres
Freundes.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Ein letzter traumhafter Sonnenuntergang und ein unglaublich intensiver doppelter Regenbogen, wie wir ihn bis dato noch nie gesehen hatten - auch nicht am anderen Ende der Welt - machen uns sicher: Es ist genau der richtige Moment für unsere Rückkehr, das Timing hätte nicht besser sein können.

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion

Und das ist es, das abschließende Jump Foto der beiden Eastbounder. Während des letzten Jahres durften wir so viel von anderen Menschen, Kulturen, der Natur oder auch von einander lernen und unzählige wunderbare Momente erleben, wofür wir unendlich dankbar sind. An dieser Stelle auch einen lieben Gruß an alle treuen Leser im derstandard.at, die uns auf dieser großartigen Reise begleitet haben. Wir hoffen, wir konnten euch unsere Erlebnisse und Emotionen in Ansätzen vermitteln, und die/den eine/n oder andere/n motivieren, selber die Sachen zu packen, um diese wunderschöne Erde zu erkunden!

Vielen Dank, Martin & Sebastian

(Sebastian Gypser/Martin Lion, derStandard.at, 14.1.2013)

Foto: Sebastian Gypser/Martin Lion