Ein Vertreter der Twa in Uganda bei der Arbeit: Extrem lange Muskelfasern in der Wade ermöglichen seine Kraxelkünste.

Foto: N. Dominy

Washington/Wien - Das Herabsteigen von den Bäumen gilt als ein entscheidender Schritt bei der Menschwerdung. Doch wann ist das passiert, und wie endgültig war diese Entwicklung vom Kraxeln hin zum aufrechten Gang?

Die ältesten überlieferten Fußspuren unserer aufrecht gehenden Vorfahren stammen aus Tansania und sind ungefähr 3,6 Millionen Jahre alt. Bestätigt wurde dieser Fund durch die Entdeckung eines 3,2 Millionen Jahre alte Mittelfußknochen von einem Australopithecus afarensis, jener Vormenschenart, der auch Lucy angehörte. Der Fuß wies bereits ein Längs- und Quergewölbe auf, die beim Gehen als Stoßdämpfer wirken.

Bedeutete diese anatomische Anpassung, dass Lucy und ihre Kollegen die Bäume für immer verließen? Zuletzt meldeten Forscher Zweifel an, dass dieser Übergang abrupt passierte, zumal sich auch bei Menschenaffen Ansätze von aufrechtem Gehen zeigen. Ein Forscherteam kommt nun zu einem ähnlichen Schluss - und zwar nach dem Studium von menschlichen Baumkletterern.

Konkret beobachteten die Wissenschafter Angehörige der Jäger- und Sammlervölker der Twa in Uganda und der Agta auf den Philippinen, die darauf spezialisiert sind, auf dünnen Baumstämmen nach oben zu "laufen", um in den Bäumen Honig zu sammeln. Wie die Forscher im Fachblatt PNAS schreiben, weisen die Twa und Agta eine ganz normale menschliche Fußanatomie auf, haben aber extrem lange Muskelfasern in der Wade, die es ermöglichen, die Zehen extrem weit in Richtung Schienbein zu biegen.

Die Forscher schließen daraus, dass ans Gehen angepasste Füße nicht vom Kraxeln abhalten - und unsere Vorfahren noch lange nach Lucy sich zumindest ab und zu in den Bäumen aufhielten. (tasch, DER STANDARD, 02.01.2013)