Eine nicht realisierbare Vision: Studie für eine Erweiterung des Wien Museums am Karlsplatz vom Team Henke Schreieck.

Foto: Visualisierung: Henke Schreieck

Wien – Am 16. Oktober fand im Architekturzentrum eine von der Stadt Wien organisierte Enquete statt. An die 40 Personen, darunter Architekten, Stadtplaner und Museumsberater, taten ihre Meinung zu den beiden möglichen Standorten für das unter eklatanter Platznot leidende Wien Museum kund. Soll es am Karlsplatz bleiben und einen (wie auch immer gearteten) Zubau erhalten? Oder soll es an den Hauptbahnhof übersiedeln – auf ein von Bürotürmen umzingeltes Grundstück der Ersten Bank?

Wolfgang Kos, der Direktor des Wien Museums, fühlte sich durch die Enquete bestätigt: Zwei Drittel hätten sich für den Karlsplatz ausgesprochen. Doch die Dokumentation jenes 16. Oktober blieb unter Verschluss. Der Standard erhielt nun die Möglichkeit, sie einzusehen. Was sofort auffällt: Eingeladen wurden nicht nur unabhängige Fachleute, sondern auch involvierte Personen – und mit Wolfgang Rosam ein einflussreicher Lobbyist. Er forderte "Andreas" und "Maria", also SP-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und die Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, auf, "Mut" zu zeigen und ein "Bekenntnis" zum neuen Stadtteil abzulegen.

Wenig verwunderlich plädierten nicht nur Architekt Albert Wimmer, der den Masterplan mitentwickelte, und Christoph Gollner, zuständig für Stadterneuerung in Favoriten, für den Hauptbahnhof. Agnes Husslein, Direktorin des Belvedere, sprach von einer "Jahrhundertchance": Zusammen mit dem 21er-Haus und dem Wien Museum könnte ein zweites MQ, ein "Quartier Belvedere", entstehen. Stadtbaudirektorin Brigitte Jilka ergänzte: "Das Wien Museum thematisiert gesellschaftliche, kulturelle, urbane Veränderungen, und es gibt keinen besseren Ort in Wien, der das widerspiegelt, als die Gegend des Quartier Belvedere."

Einige, darunter die Architekten Rüdiger Lainer, Wolf D. Prix und Andras Palffy, äußerten sich "ambivalent". Dietmar Steiner, Chef des Architekturzentrums, übte Kritik: "Ich halte das hier nicht für eine Fach-Enquete, denn was wir an Informationen bekommen haben, war eher auf einem touristischen Niveau." Architektonische Hoffnungen habe er für keinen der beiden Standorte.

Die meisten aber sprachen sich mehr oder weniger "eindeutig für den Standort Karlsplatz" aus, darunter der deutsche Stadtplaner Tom Sieverts, der Architekt Christoph Luchsinger (Professor für Städtebau an der TU Wien) und sein Kollege Rudolf Scheuvens (Professor für örtliche Raumplanung): Einen besseren Ort als jenen, an dem die "Verwerfungslinien aus der Geschichte dieser Stadt zusammentreffen", könnte man kaum finden – noch dazu an der Wien, wie die Architektin Maria Auböck ergänzte. Zum Karlsplatz bekannten sich auch der Wiener Raumplaner Kurt Puchinger, der in Berlin lebende Architekt Günter Zamp-Kelp, Friedrich Dahm (Bundesdenkmalamt) sowie die Soziologen Jens Dangschat und Kenan Güngör.

Für Max Hollein, Museumsdirektor in Frankfurt, ist der Karlsplatz "der logische Ort". Selbst Franz Kobermaier von der Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) sieht "die Vorteile mehr beim Karlsplatz". Die Architektin Martha Schreieck, die sich mit beiden Orten beschäftigt hatte, meinte, dass jener beim Bahnhof "äußerst kritisch zu sehen" sei: Das ganze Areal müsse neu gedacht, ein Brückenschlag nach Favoriten geschaffen werden. Simone Raskob, Kulturdezernentin in Essen, macht sich um die Stadtentwicklung am Bahnhof keine Sorgen: "Die funktioniert auch ohne Museum." Und der Museumsberater Dieter Bogner warnte die Politiker: "Am Bahnhof planen Sie einen Misserfolg!" Für Museen gäbe es die Regel, dass sie zum Publikum gehen müssten - und nicht umgekehrt. "Der Erfolg des MQ hat das gezeigt."

Mailath-Pokorny war über die vielen Plädoyers pro Karlsplatz doch ein wenig verwundert, hielt aber an der "einmaligen Chance" Bahnhof fest. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 31.12.2012/1.1.2013)