Längst ist es nicht mehr so, dass nur ein Mercedes ein Mercedes ist oder ein Fiat ein Fiat. Ein Auto besteht aus einer mindestens fünfstelligen Anzahl an Teilen, und jedes Teil wird von einem Spezialisten hergestellt, und wenn es sich im schlimmsten Fall um einen Spezialisten für billigste Herstellung handelt. Die wahre Leistung des Fahrzeugherstellers liegt also nicht in der Detailkompetenz, sondern im Überblick. Wer die besten Zulieferer und Dienstleister um sich versammelt, kann das beste Auto bauen. Arroganz in der Vermarktung allein ist jedenfalls zu wenig für dauerhaften Erfolg.

Nachdem die Japaner, aber spätestens seit die Koreaner gezeigt haben, dass sie im Grunde auch alles können, ist jeglicher Mythos von unantastbarer Technologieführerschaft einzelner Marken im Wanken. Als grobe Denkschiene kann nur eine Überlegung herhalten: Je teurer ein Auto verkauft werden kann, umso mehr Geld ist vorhanden, die besten und nicht die billigsten Spezialisten unter den Entwicklern und Herstellern von Bauteilen, Modulen und Systemen zu engagieren.

Autobau – ein Marionettentheater. (Karikatur: Oliver Schopf)
Karikatur: Oliver Schopf

Klarerweise ist die Integration all dieser Teile noch eine sehr schwierige Aufgabe, aber ohne ein gutes Getriebe, leuchtkräftige Scheinwerfer oder funktionierende Abgasreinigungsanlage lässt sich nichts Ordentliches machen.

Das Geschäft ist mittlerweile total global. Lange bevor ein Auto ausgeliefert wird, müssen seine Teile und Module von Herstellern in der ganzen Welt eingesammelt und zusammengeschraubt werden. Da gibt es keine nationalen Grenzen mehr.

Gehen wir nun einkaufen: Der Verbrennungsmotor gilt nach wie vor als Kernkompetenz eines Autohersteller, auch wenn selbst diese Domäne zusehends aufgeweicht wird. Man denke an den kleinen Dieselmotor von Renault, der in seiner Grundstruktur nicht nur im Billigauto Dacia Verwendung findet, sondern auch in der A-Klasse von Mercedes. Auch durch die steigende Bedeutung von Elektrik und Elektronik drängen immer mehr Unternehmen von außen in diesen Bereich vor.

Der Antrieb: aus der Motorenschmiede in Steyr, idealerweise.
Foto: bmw

Da es reine Motorenhersteller im Pkw-Bereich nicht gibt, ist hier die Verlockung groß, bei BMW um ein Aggregat anzufragen. Ob Diesel oder Benziner: Hier finden wir die spannendsten und sparsamsten Konzepte. Fritz Steinparzer, der früher für die Dieselmotorenentwicklung im Werk Steyr zuständig war, verantwortet jetzt in München die Benziner. Er ist eine der letzten benennbaren Ingenieurs-Persönlichkeiten, die in der Lage sind, wissenschaftlich dynamisch algorithmisch entwickelte Maschinen mit unverkennbarem Charakter auszustatten.

Das Getriebe werden wir wohl bei ZF kaufen. Die Zahnradfabrik Friedrichshafen baut für Audi einiges, was der Premiumhersteller im Regal von Mutter VW nicht findet. Besonders beliebt: die Achtgangautomatik, zukunftssicher, auch insofern, als sie gleich im Paket mit einem ganzen Vollhybridsystem geordert werden kann, wovon auch wiederum BMW Gebrauch macht.

Bei den Scheinwerfern lassen wir einen Hauch Patriotismus mitschwingen und fragen bei ZKW im niederösterreichischen Wieselburg nach. Wir wissen jetzt schon, dass das ein bissl teuer werden könnte, aber dort kriegen wir die innovativsten LED-Vollscheinwerfer, auch zukunftssicher. Dafür nehmen wir die Einparkhilfe vom Konkurrenten Valeo, weil wir die bei ZKW gar nicht kriegen. Guten Komfort soll ein Klimakompressor von Denso bringen.

Bei Wälzlagern geht es bei SKF auch eine Nummer kleiner.
Foto: skf

Ganz schön kompliziert, so ein Auto zu bauen. Wenn man nämlich näher hinsieht, erkennt man, dass der Zylinderkopf eines Motors gar nicht vom vermeintlichen Hersteller stammt. Das heißt, Gießen ist so eine schwierige Aufgabe, dass das auch von einem Spezialisten übernommen wird, zum Beispiel von der Alu-Gießerei Nemak in Linz (Firmensitz Mexiko), wo man Zylinderköpfe für BMW, Porsche und Ford produziert.

Will man wissen, wie man praktisch aus dem Stand heraus ein Premium-Automobil entwickelt, produziert und erfolgreich vermarktet, fragt man am besten bei Jaguar Land Rover nach. Der indische Industrielle Ratan Tata kaufte 2008 die vom damaligen Besitzer Ford vernachlässigten Nobelmarken Jaguar und Land Rover, technisch wie kommerziell schwer angeschlagen. Mittlerweile bewegen sich beide Marken im Verbund wieder souverän im Premium-Segment.

Diesen Erfolg führen Experten auf das gute Verhältnis zu den besten Zulieferern zurück. So finden wir auch dort auffällig viele Teile von Denso, Bosch, Magna und aus der Continental-Gruppe, einem kommerziell schwierig steuerbaren, aber technologisch hochkompetenten Hightech-Komponenten-Gemischtwarenladen.

Kaum ein Radlager ohne Mitwirkung des schwedischen Kugellager-Spezialist SKF mit 100 Produktionsstätten in 98 Ländern der Welt, der schon vor Jahrzehnten in Steyr das ehemalige Steyr Wälzlagerwerk übernommen hat und dort auch ein Entwicklungszentrum betreibt.

Vom Rückspiegel bis zum Allradantriebsmodul: Immer wieder steht Magna drauf. Auch das schwerste Ding am Auto wird immer wieder in Form von Stahlblech von der Voestalpine geliefert, weil es dann doch ein bisschen leichter wird. Und sollte der Verbrauch immer noch zu hoch oder das Abgas nicht ganz sauber sein, so hilft möglicherweise ein Klinikaufenthalt beim Motorenspezialist AVL List. (Rudolf Skarics, DER STANDARD, 28.12.2012)