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Knusprig und noch ofenwarm hat das Grundnahrungsmittel Baguette idealerweise zu sein. Immer mehr Franzosen können sich das aber nicht mehr leisten.

Foto: REUTERS/VINCENT KESSLER

Knusprig, duftend und noch ofenwarm hat es zu sein, wenn es die Franzosen in der Bäckerei holen, das französische Grundnahrungsmittel: das Baguette. Aber nicht alle können sich heute den Preis von knapp einem Euro noch leisten.

In Nîmes hat dies eine Boulangerie bewogen, die Stabbrote zum halben Preis zu verkaufen, für 40 Cent. Sie sind allerdings nicht knusprig, duftend und ofenwarm: Die Baguettes von Bäcker Sébastien Perez stammen, wie alle Produkte in der Auslage, von gestern.

Vom Vortag

"Zum Brot vom Vortag" steht in dicken Lettern über dem Eingang seines Ladens. In Frankreich wäre ein solches Angebot früher undenkbar gewesen. Die Bäckerei liegt am Boulevard Gambetta, in einem Viertel, in dem Rentner, Arme und Einwanderer leben - und wo die Arbeitslosigkeit das städtische Mittel von 13 Prozent noch übersteigt.

Bäcker Perez freut sich über die Warteschlangen, auch wenn er damit kein Geld verdient. "Eine Krise wie die aktuelle gab es noch nie. Wir wollen allen Leuten die Möglichkeit geben, Brot zu kaufen." Perez liefert anderen Bäckereien im Raum Nîmes jeden Tag Frischbrot. Die unverkaufte Ware erstatten seine Abnehmer zurück. Diese findet sich dann am nächsten Tag im "Brot vom Vortag".

Vermehrt Low-Cost-Läden

Laut dem Fernsehsender BFM führen in Frankreich bereits einige weitere Bäckereien das gleiche Angebot "von gestern". Auch in anderen Sektoren finden sich heute Low-Cost-Läden - die zum Beispiel auch leicht havarierte Früchte billig abgeben, oder Restaurants, die "Krisenmenüs" anbieten.

Dass diese Dienste auf großen Anklang stoßen, erstaunt nicht in einem Land, in dem 2010 gut 8,6 Millionen Menschen unter der offiziellen Armutsgrenze von 960 Euro im Monat lebten.

Mindesthilfe soll steigen

Bei einer "nationalen Konferenz gegen die Armut" versprach Premierminister Jean-Marc Ayrault Mitte Dezember 2,5 Milliarden Euro mehr für die soziale Mindesthilfe RA: Sie soll bis 2017 um zehn Prozent steigen. Laut den Hilfswerken genügen diese neuen Mittel nicht, um auch nur den Anstieg der Armut zu kompensieren.

2011 verteilten sie an 1,5 Millionen Menschen warme Mahlzeiten, ein Drittel davon alleinerziehende Mütter - jenen, die sich nicht einmal ein Baguette für 40 Cent leisten können. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 28.12.2012)