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ORF-Programmdirektorin Kathrin Zechner sah im Rahmen der Pressekonferenz zum Neujahrskonzert 2013 in der Kritik des Grünen-Abgeordneten Walser ein "extrem oberflächliches, effekthascherisches Irgendwas".

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Am 1. Jänner 2013 steht zum 73. Mal das traditionelle Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im Musikverein an. Das musikalische Großevent wird dabei in 81 Länder weltweit übertragen - eine Verdopplung innerhalb der vergangenen zehn Jahre, unterstrich Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg am Donnerstag bei der Programmpräsentation. Mittlerweile sind die Wiener am Neujahrstag von Kuba bis Indien zu sehen. Natürlich dominiert dabei auch 2013 die Strauß-Dynastie das Programm, wobei erstmals Werke der beiden Jahresjubilare Richard Wagner und Giuseppe Verdi gespielt werden.

Insgesamt finden sich elf Neujahrskonzert-Premieren auf der Programmliste. Neben Wager und Verdi sind dies auch Strauß-Walzer wie etwa "Aus den Bergen" oder das Spätwerk "Hesperusbahnen". "Ich bin ein neugieriger Mensch", begründete Franz Welser-Möst die breite Auswahl. Der Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper dirigiert nach 2011 bereits zum zweiten Mal das Neujahrskonzert. Dass man dabei erstmals Wagner und Verdi mit an Bord habe, sei nur natürlich.

"Es ist keine konstruierte Sache - die gegenseitige Verehrung war groß", verwies auch Hellsberg auf die Beziehungen zwischen den einzelnen Tonsetzern. Schließlich sei die Strauß-Kapelle der erste Klangkörper gewesen, der 1853 mit dem Pilgerchor aus "Tannhäuser" Noten Wagners in Wien spielte. 2013 setzt man hingegen auf ein Vorspiel aus "Lohengrin". Umgekehrt gelte dieser Einfluss auch für Verdi, der mit einer Ballettmusik aus "Don Carlo" im Musikverein vertreten sein wird, betonte Welser-Möst: "Er klingt so, als wenn er von Johann Strauß inspiriert wäre."

"Die Soubrette" ausgegraben

Zugleich bleibt die Dominanz der Strauß-Familie unbestritten. "Es geht darum, zu demonstrieren, welchen Rang diese Dynastie in der Musikgeschichte einnimmt", unterstrich Hellsberg: "Man hört über kaum einen Komponisten so viel Blödsinn wie über die 'Sträuße'." Schließlich sei die Musik keineswegs leicht zu spielen, betonte Welser-Möst. Während man bei einer Bruckner-Symphonie vielleicht 20 verschiedene Melodien zu spielen habe, seien dies bei einem Neujahrskonzert an die 200.

Am Konzertmorgen stehen zugleich die Familienbande im Mittelpunkt. Die mittlerweile 90-jährige Urenkelin von Joseph Strauß, Hedwig Aigner-Strauß, wird am 1. Jänner Gast der Philharmoniker im Musikverein sein. Überdies bringt auch Dirigent Welser-Möst familiäre Bindungen ein. So steht erstmals "Die Soubrette" von Josef Strauß am Neujahrskonzert-Programm, die 1861 vom Welser-Möst'schen Urururgroßvater im Casino Dommayer uraufgeführt worden war.

"Was ihr hier ausgegraben habt, macht einen auch nach 50 Jahren neugierig auf dieses Konzert", zollte ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner den beiden Herren Respekt. Der ORF hat am 1. Jänner 14 Kameras im Einsatz. Dass man die Bilder aus Wien rund um den ganzen Erdball sehen könne, sei für sie eine der positiven Seiten der Globalisierung, so Zechner.

Negative Reaktionen auf Kritik der Grünen

Negativ beurteilten die Verantwortlichen am Podium hingegen die erneut vom Grünen-Bildungssprecher Harald Walser erhobenen Vorwürfe, die Philharmoniker würden sich nicht genügend mit ihrer Vergangenheit im Nationalsozialismus auseinandersetzen. Hier gehe es um "politisches Kleingeld", vermutete Hellsberg, der bereits 1988 eine erste Publikation zum Thema veröffentlicht hatte.

"Es liegt im Wesen der Wissenschaft, immer Neues zu finden", so der Philharmoniker-Vorstand, weshalb man ihm nicht zum Vorwurf machen könne, dass immer wieder neue Akten entdeckt würden. Historiker hätten jedenfalls keine Einschränkungen im Archiv der Philharmoniker zu befürchten, was sich zuletzt am 2011 veröffentlichten Buch "Politisierte Orchester. Die Wiener Philharmoniker und das Berliner Philharmonische Orchester im Nationalsozialismus" von Fritz Trümpi gezeigt habe, dem monatelange Recherchen im Haus vorangegangen seien.

Im Zuge der bis zum Sommernachtskonzert (30. Mai) laufenden Neugestaltung der Philharmoniker-Website will man dem Thema jedenfalls mehr Platz einräumen, schon am 12. März werde es eine Online-Veröffentlichung geben, zu der Hellsberg aber "noch nichts Näheres" sagen wollte. Auch werde es 2014 "in diesem Zusammenhang" etwas Gemeinsames mit der Wiener Staatsoper geben.

Deutlich wurde Zechner bezüglich der erhobenen Vorwürfe: "Das ist aus meiner Sicht ein extrem oberflächliches, effekthascherisches Irgendwas. Ich kenne kaum eine andere Institution, die schon seit Jahren unaufgefordert an der Aufarbeitung der eigenen Geschichte arbeitet. Gerade wir Österreicher tun uns üblicherweise schwer, uns diesem Thema offen und ehrlich zu stellen."  (APA, 27.12.2012)