Posthum fertiggestellt: die elegante State Fair Arena in Raleigh, North Carolina, von Maciej Nowicki, der 1950 ums Leben kam.

Foto: Tadeusz Barucki

Wien - Kommt die Rede auf Chandigarh, das Uno-Hauptgebäude in New York oder moderne Erweiterungen an der Brandeis University, dann fallen Namen wie Le Corbusier, Saarinen oder auch Niemeyer. Von Maciej (in den USA: Matthew) Nowicki hört man kaum. Es war das Schicksal des polnischen Architekten, dass seine Beiträge in Gemeinschaftsarbeiten aufgingen, wo andere ihn überstrahlten; dass Zeitumstände, biografische Wendungen und letztlich ein tragischer Unfall ihn daran hinderten, seine Visionen in großem Maßstab zu realisieren. So blieb er eher durch theoretische Einwürfe und gedankliche Avantgarde im Gedächtnis als durch eigene Bauten.

"Zu Unrecht vergessen" zu sein ist eine unglückliche Position. Die Ausstellung Maciej Nowicki: Eine Architekturkarriere zwischen Polen, Amerika und Indien im Wiener Ringturm will das ändern. Sie rückt einen Pionier der Moderne ins rechte Licht, der sich zwischen drei Kontinenten bewegen konnte und zurechtfand. Der Idee moderner, schnörkelloser, aber deswegen nicht emotionsleerer Entwürfe blieb er verbunden.

Das zeigt sich bereits in den grafischen Arbeiten - Plakaten vor allem -, die er, kaum 20-jährig, für kommerzielle und ideelle Kampagnen realisierte. Impulse dazu hatte der 1910 geborene Nowicki im Elternhaus bei Krakau erhalten und in seiner Schulzeit in Chicago, wo sein Vater bis 1929 Generalkonsul war. In Warschau studierte er dann Architektur, seinen ersten Auftrag realisierte er für seine Eltern, ein kompromisslos modernes Haus. Weitere kleine Arbeiten folgten (heute großteils zerstört), gemeinsam mit einem Kollegen entwarf er den polnischen Pavillon auf der New Yorker Weltausstellung 1939.

Die Kriegsjahre unterbrachen Nowickis Karriere. Er arbeitete wieder als Grafiker und unterrichtete im Untergrund. Nach Kriegsende hatte er einen Plan für die völlige Neugestaltung des Warschauer Zentrums - dass dieses völlig anders, nämlich nach alten Veduten wiederaufgebaut wurde, ist bekannt. 1946 war er wieder in den USA, als Kulturberater der polnischen Gesandtschaft. Als solcher nahm er auch an der Planung des UN-Headquarters teil; laut den anwesenden Kollegen und dem bedeutenden Architekturtheoretiker Lewis Mumford wurde er als Impulsgeber und Vermittler hochgeschätzt.

Generalplanung Chandigarh

Stärker aber, so Mumford weiter, prägten seine Vorstellungen die Generalplanung von Chandigarh, der zu schaffenden Hauptstadt des indischen Staates Pandschab. Sie beeindruckten die Bauherren so sehr, dass sie ihm die Leitung des Gesamtprojekts anboten. Er willigte ein, wollte nur noch einiges in Raleigh, North Carolina, in Ordnung bringen, wo die Nowickis lebten - und stürzte 1950 auf dem Flug dorthin tödlich ab.

So kam es, dass die indische Stadt heute nur mehr mit Le Corbusier in Zusammenhang gebracht wird; und dass Nowickis größter und eindrucksvollster Bau posthum errichtet wurde: die Ausstellungshalle für die State Fairs von North Carolina, zwei mächtige, einander überkreuzende Parabeln von seltener Eleganz.

Die Kuratoren Adolph Stiller und Tadeusz Barucki haben die weit verstreuten Entwürfe, Fotos, Plakate und Skizzen zusammengetragen. An drei großen hängenden Ringen (für je ein Wirkungsland) sind sie versammelt, sie lenken die Aufmerksamkeit konsequent auf Nowickis Karriereabschnitte. Barucki hat zudem die schriftlichen Beiträge des Architekten im präzise komponierten Katalog (Müry Salzmann) versammelt. Aus den Erinnerungen seiner Kollegen, schreibt der Kurator, entstand "das Bild eines klugen Mannes, der mit aller Leidenschaft seiner Arbeit nachging, die er untrennbar mit dem Leben der Menschen verknüpft sah, für die er Architektur erschuf."    (Michael Freund, DER STANDARD, 27.12.2012)