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Im Bild: Verladung eines Sattelschleppers auf einen Güterwaggon. Über Weihnachten waren auch die Speditionen gut ausgelastet, für 2013 ist der Ausblick mau.

Foto: Ap/Guelland

Elmar Wieland geht nach fast 50 Jahren im Speditionsgewerbe in Pension.

Foto: DB Schenker

Standard: Optiker haben selbst in ihrer Freizeit einen geschärften Blick für Brillen, Zahnärzte für Zähne. Auf was schaut ein Spediteur, wenn er privat unterwegs ist?

Wieland: Man entwickelt einen gewissen Blick für Lkw, Bahnen, Flugzeuge und Firmen entlang der Straße, die Kunden sein könnten.

Standard:  Sie gehen nach fast 50 Jahren Speditionsarbeit, davon knapp 40 bei Schenker, mit Jahresende in Pension. Was waren beruflich die drei schönsten Ereignisse?

Wieland: Dass aus der Verantwortung, die man übertragen bekommen hat, letztlich etwas sehr Positives geworden ist. Wir haben Schenker Österreich restrukturiert und neu aufgebaut. Dann die Ostöffnung und schließlich die Bewältigung der Umstellung nach dem EU-Beitritt Österreichs. Das war auch nicht ganz ohne, ist aber gut ausgegangen.

Standard:  Und die drei schwierigsten, unangenehmsten Sachen?

Wieland: Wenn man Ergebnisschwierigkeiten hat, ist es immer unangenehm. Eine kritische Situation hat es da im Zuge der ersten Ölkrise in den 1970er-Jahren gegeben. Eine unangenehme Niederlage haben wir in Tirol hinnehmen müssen, wo wir auf einen bestimmten Standort gespitzt, die Immobilie dann aber nicht bekommen haben. Das schmerzt noch immer. Auch eine misslungene Übernahme in Exjugoslawien fällt unter dieses Kapitel. Für mich persönlich sehr unangenehm ist die Kartellgeschichte ...

Standard:  ... wo Sie Kronzeuge waren und die jetzt beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg liegt, noch immer unerledigt ...?

Wieland: ... und zu der ich wegen des laufenden Verfahrens nichts sagen kann.

Standard:  Sie wurden angefeindet?

Wieland: Massiv. Die Kontakte in der Branche sind stark zurückgegangen. Es gibt aber auch Kollegen, die das nicht so persönlich nehmen, mit denen gibt es weiter eine vernünftige Gesprächsbasis.

Standard:  Sie haben kürzlich gesagt, das Verkehrsministerium sei eigentlich ein Bahnministerium, egal welcher Minister oder welche Ministerin dort gerade sitzt. Wie das?

Wieland: Das Verkehrsministerium versteht sich in der Regel als Anwalt der Bahn. Das zeigt die Diskussion um die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, das zeigt aber auch die Investitionspolitik.

Standard:  Die Asfinag nimmt doch auch viel Geld in die Hand und baut die Straßen aus?

Wieland: Trotzdem - ich denke, im Bereich der Asfinag wird vom Verkehrsministerium auf das Unternehmen nicht so stark Einfluss genommen wie bei der ÖBB.

Standard:  Ihr Verhältnis zur Bahn war einmal mehr, einmal weniger spannungsgeladen, jedenfalls nie friktionsfrei. Warum eigentlich?

Wieland: Die Bahnen sind in Europa nach der Liberalisierung des Schienenverkehrs zu harten Konkurrenten geworden. Als klassischer Spediteur sind wir zwar gewohnt, mit allen Verkehrsträgern zu arbeiten. Andererseits belastet der enorme Wettbewerbsdruck aber das Klima mit den Bahnen.

Standard:  Und in Österreich ...?

Wieland: ... ist das Verhältnis zur Bahn in hohem Maß durch die Stückgut-Aktivitäten der ÖBB belastet. In dem Bereich sind wir unmittelbar Wettbewerber. Weil die ÖBB in dem Segment ständig unter den Eigenkosten operiert, ist das besonders ärgerlich.

Standard:  Schenker gehört zur Deutschen Bahn (DB); war ihr Verhältnis zum Eigentümer auch so spannungsgeladen?

Wieland:Ich habe einige Eigentümer erlebt, vom Österreichischen Creditinstitut über Deutsche Bahn, Stinnes bzw. Eon und neuerlich Deutsche Bahn. Mit dieser stehen wir nicht im Wettbewerb. Folglich haben wir auch nicht so ein Spannungsfeld wie mit der ÖBB. Die DB hat sich vor vielen Jahren aus dem Stückgutverkehr zurückgezogen, wie übrigens auch die meisten anderen Bahnen. Nur die ÖBB hält daran fest.

Standard:  Warum haben Speditionen ein eher schlechtes Image?

Wieland: Weil wir immer wieder in einen Topf mit den reinen Lkw-Unternehmen geworfen werden. Die Frächterbranche hat aus verschiedenen Gründen ein problematisches Image. Die sind nicht so organisiert wie wir, sind sehr heterogen, tausende Unternehmen mit tausenden Fahrern, da passiert natürlich das eine und andere. Und der Lkw wird ja auch von der Politik in eine eher negative Ecke gedrängt. Dass wir ein schlechtes Image haben, mag auch damit zu tun haben, dass der Lkw nun mal bei weitem unser wichtigstes Handwerkszeug ist.

Standard:  2009 mussten Sie in Österreich und in den Länderorganisationen Südosteuropas, für die sie auch zuständig sind, Leute entlassen. Ist noch immer personelle Schrumpfung angesagt oder gibt es schon Zeichen der Entspannung?

Wieland: Das meiste ging damals durch natürliche Fluktuation. Wir haben mittlerweile wieder in etwa denselben Personalstand wir vorher. Was mir mehr Sorgen bereitet ist die gegenwärtige Situation. Die Wirtschaft in Europa und darüber hinaus befindet sich noch immer in einer schwierigen Situation. Das könnte nochmals kritisch werden.

Standard:  Als gebürtigem und leidenschaftlichem Salzburger muss es Sie ja besonders schmerzen, was derzeit in ihrem Bundesland bor sich geht?

Wieland: Das stimmt, das tut sehr weh. Wenn man hört, dass zwischen der Bundesfinanzierungsagentur und dem Land Salzburg eine Zeitlang 400 Millionen Euro nicht auffindbar waren, muss man sich schon fragen, welche Leute hier am Werk sind. Es ist ungeheuerlich und ich denke, dass das die Konsequenz von Fehlentwicklungen ist, die über Jahrzehnte gehen, dass die Qualität in bestimmten Bereichen stark abgenommen hat.

Standard:  Was haben Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen?

Wieland: Ich möchte die Dinge, die etwas zu kurz gekommen sind, nachholen, solange es geht. Ein bisschen mehr Sport betreiben, im Winter etwa Skibergsteigen. Dann die ganzen Bücher lesen, die ich zur Seite gelegt habe. Ich möchte auch noch etwas studieren, muss mir aber erst noch ein klares Bild verschaffen. Darüber hinaus werde ich auch noch für Schenker eine Funktion in der Türkei wahrnehmen. Ich bin dort Vorsitzender im Board. Dazu ein paar längere Reisen, die man immer wieder verschoben hat - das klassische Programm eben, wenn man mehr Zeit hat. (Günther Strobl, DER STANDARD; 27.12.2012)