Er gehört keiner Partei an, will keinen Wahlkampf führen, keine Liste gründen. Dennoch peilt Mario Monti erneut das höchste Regierungsamt in Italien an, um sein Reformwerk fortzusetzen. Dabei drängt er nicht ins Amt, sondern will gerufen werden und die Bedingungen selbst diktieren. Sein umfassendes Reformprogramm für die kommende Legislaturperiode liefert er gleich mit.

Es ist ein eigenwilliges Verwirrspiel, das Monti betreibt. Kandidieren will der Ökonom nicht, weil er mit einer eigenen Gruppierung keine Chance auf die Macht hätte. Gleichzeitig misstraut er einem Großteil des Parteienspektrums; Etiketten wie "links" oder "rechts" sind ihm zuwider.

Dieses Misstrauen wird von den argwöhnischen Parteien natürlich erwidert. Sie bangen um ihre Macht und beobachten jeden Schritt des Eindringlings sehr genau. Sie wissen um seine Absicht, das aktuelle Parteiengefüge aufbrechen und Reformer aus beiden Lagern auf eine konkrete Agenda für das hochverschuldete Italien einschwören zu wollen.

Montis nebulös wirkender Vorstoß, ohne eigene Machtbasis eine Führungsrolle zu übernehmen, scheint auf den ersten Blick zum Scheitern verurteilt. Nur die Christdemokraten und Luca di Montezemolos Bewegung Italia Futura waren bisher bereit, seine Agenda bedingungslos mitzutragen und ihm freie Hand zu gewähren. Beiden zusammen werden aber bestenfalls 20 Prozent zugetraut.

Nach Tagen des Zögerns hat der unschlüssige Premier nun offenbar seine ausweglose Situation eingesehen. Wenige Sätze auf Twitter deuteten einen Strategiewechsel an: "Gemeinsam haben wir Italien vor dem Desaster gerettet. Nun muss die Politik verändert werden. Klagen hilft nicht, sich engagieren schon. Steigen wir in die Politik ein!" Die kryptische Botschaft löste neuerliches Rätselraten aus. Trägt sich der Mailänder Ökonom mit der Absicht, mit einer eigenen Liste in den Wahlkampf zu ziehen? Oder erlaubt er bloß den Zentrumsparteien die Verwendung seines Namens für die Kampagne?

Hinter den Kulissen wird hektisch verhandelt, denn Monti will die Zentrumsparteien nur dann unterstützen, wenn sie echten Erneuerungswillen bekunden. Das bedeutet: Altgediente Politiker müssen von den Listen verschwinden und durch Kandidaten aus der Zivilgesellschaft ersetzt werden.

Während Silvio Berlusconi wütende Attacken reitet, bekundet der favorisierte Partito Democratico (PD) nun Interesse an Monti. Doch der voraussichtliche Wahlsieger Pier Luigi Bersani will natürlich selbst regieren.

Monti setzt indes auf eine langfristige Strategie. Sowohl im PD als auch in Berlusconis PdL überzeugt seine Agenda viele. Einige haben ihren Parteien bereits den Rücken gekehrt - eine Tendenz, die sich nach der erwarteten Spaltung von Berlusconis Partei verstärken könnte.

Vorerst lässt die Radikalisierung des Wahlkampfs durch den wie besessen wirkenden Berlusconi keine Zwischentöne zu. Mitentscheidend dürfte sein, wie viele politikverdrossene Italiener der parteilose Premier überzeugen und zur Stimmabgabe motivieren kann. Montis Stunde könnte schlagen, wenn am 24. Februar wegen des absurden Wahlrechts keine der Parteien im Senat über eine regierungsfähige Mehrheit verfügen sollte. Dann könnte Montis Agenda das Programm der nächsten Regierung entscheidend mitprägen - und der 69-Jährige hätte den Fuß wieder in der Tür. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 27.12.2012)