Bevor Bohrtürme errichtet werden, untersuchen Geologen die Bodenbeschaffenheit.

Foto: Strobl

Man kennt es aus amerikanischen Filmen: Ölfontänen schießen aus dem Boden, schwarz übergossene Menschen werfen jauchzend Hüte in die Luft. So wird der Beginn des Ölzeitalters am Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA oft dargestellt. Damals war das Finden von neuen Öllagerstätten noch kein Problem. Der Legende nach warf der deutsche Erfinder und Bohrpionier Anton Raky einfach seinen Hut, um einen neuen Bohrplatz festzulegen. Doch der Hut hat ausgedient.

Öl findet man nicht mehr zufällig. Für die Prospektion, also die Suche nach neuen Lagerstätten von Öl und Gas, werden immer ausgefeiltere Techniken entwickelt, um das Risiko einer Fehlbohrung zu verringern. Denn Bohrungen sind zu teuer für das Trial-and-Error Prinzip. Bis man tatsächlich bohren kann, muss also so genau wie möglich abgeklärt werden, wie der Untergrund beschaffen ist.

Das geschieht in mehreren Schritten. Bei einem dieser Schritte, der Interpretation seismischer Daten, setzt nun ein neues Computerprogramm des Forschungszentrums Virtual Reality und Visualisierung (VRVis) an. Unter dem Arbeitstitel "SeiVis" - kurz für Seismic Visualization - entwickelt VRVis seit 2006 eine Methode, den zeitaufwendigsten Schritt in der Ressourcensuche zu verkürzen. Doch alles der Reihe nach.

Prozess beschleunigen

Am Beginn stehen Probebohrungen, durch die geklärt werden soll, ob Bohrungen überhaupt erfolgversprechend sind. Bereits jetzt werden Daten gesammelt, unter anderem misst der Bohrer den Widerstand, auf den er trifft. Daraus kann man auf Erd- und Gesteinsschichten schließen. Das Erstellen solcher Bohrprofile wird auch als "Well-Logging" bezeichnet. Zusätzlich zu diesen Daten werden seismische Messungen durchgeführt.

Künstlich erzeugte Erschütterungen senden Schallwellen in den Untergrund, die von verschiedenen Erdschichten - genannt Horizons - unterschiedlich zurückgeworfen werden. "Es funktioniert ähnlich wie eine Ultraschalluntersuchung.", sagt Stefan Maierhofer, zuständiger Projektmanager bei VRVis, "Nur dass hier die Erschütterungen sehr viel stärker sein müssen. Im Prinzip werden Erdbeben simuliert."

Um ein möglichst genaues Modell des Untergrunds zu erhalten, werden die gesammelten Daten interpretiert. Dazu müssen die Verläufe der Horizons von Spezialisten am Bildschirm "händisch" über Kilometer nachvollzogen werden, was viel Erfahrung und Zeit benötigt. Denn je nach Genauigkeit der seismischen Daten müssen verschiedene Hypothesen ausprobiert werden, um einen plausiblen Verlauf der Horizons zu errechnen. Dieser Prozess ist zeitaufwändig und fehleranfällig.

An diesem Punkt setzt SeiVis an. Mit der Software soll es möglich werden, hunderte von Verläufen innerhalb von Minuten zu erstellen, für die Geologen sonst Tage benötigen würden und soll so ein genaueres Bild liefern. Ausgehend von den erstellten Bohrprofilen, die im Programm erfasst werden, kombiniert SeiVis die Bohrdaten mit denen der seismischen Messung.

Es erstellt dreieckige Flächen mit den Bohrungen als Eckpunkten, die in einem 3-D-Modell zusammengesetzt werden und so die einzelnen Erdschichten sichtbar machen. Diese Modelle der Erdschichten bilden die Basis für die Simulation der eigentlichen Bohrung. Dadurch sollen weitere Risiken erkannt werden, etwa dass Erdschichten nachgeben könnten.

Dementsprechend wichtig ist die Genauigkeit der Modelle. "Es ist wie bei einem Wetterbericht: je detailgenauer eine Landkarte ist, umso zuverlässiger lässt sich eine Wetterprognose erstellen", erklärt Maierhofer.

VRVis arbeitet mit Heinemann Oil aus Leoben zusammen, einem im Erdölbereich tätigen Beratungs- und Forschungsunternehmen, zusammen, der parallel mit SeiVis und klassischen Interpretationsmethoden arbeitet. Ergeben sich Abweichungen, werden diese als Feedback an VRVis weitergegeben und das Programm wird adaptiert.

Die derzeitige Phase des Projektes wird bis Ende 2013 laufen, dann sollen die offenen Forschungsfragen geklärt sein und ein Prototyp erstellt werden. (Barbara Wallner, DER STANDARD, 24.12.2012)