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Auf bekannte Art demonstrierten Mitglieder der Frauenrechtsgruppe Femen vor dem Europäischen Rat in Brüssel gegen den russischen Präsidenten. Sie wurden nach wenigen Minuten von der Polizei weggebracht.

Foto: Reuters/Lenoir

Brüssel/Moskau - Minus 30 Grad in Zentralrussland, minus 40 in Sibirien. Es ist der kälteste Winteranfang seit 50 Jahren in Russland. Doch Eiszeit herrscht nicht nur meteorologisch: Auch die diplomatischen Beziehungen zum Westen sind so kühl wie lange nicht mehr.

Die russische Staatsduma hat als Reaktion auf den von den USA erlassenen " Magnitski Act" das sogenannte Dima-Jakowlew-Gesetz verabschiedet; benannt nach einem russischen Waisenknaben, der durch die Schuld seines amerikanischen Pflegevaters ums Leben kam. 420 Abgeordnete stimmten dafür, bei nur sieben Gegenstimmen und einer Enthaltung. Trotz der großen Mehrheit ist das Gesetz umstritten, die kremlkritische Nowaja Gaseta sammelte innerhalb weniger Tage 120.000 Unterschriften dagegen.

Der Grund: Verbietet der Magnitski Act russischen Beamten, die der US-Senat verdächtigt, für den Tod des Juristen Sergej Magnitski in einem Moskauer Untersuchungsgefängnis verantwortlich zu sein, die Einreise und den Besitz von Konten und Eigentum in den USA, so untersagt das eigentlich als "symmetrische Antwort" gedachte russische Gesetz US-Bürgern generell die Adoption russischer Kinder.

Zu den Leidtragenden der politischen Auseinandersetzung werden damit ausgerechnet die Schwächsten der Gesellschaft, nämlich russische Waisenkinder. Die Kritik an dem Gesetz kommt daher nicht nur von der liberalen Opposition, sondern sogar von zwei Ministern. Selbst der kremlnahe Politologe Michail Leontjew erklärte: "Kinder als Geiseln zu nehmen, ist absolut ekelhaft." Präsident Wladimir Putin hingegen hat dem Gesetz bereits prinzipiell seinen Segen gegeben.

Putin kritisiert EU scharf

Der Kremlchef seinerseits kritisierte auf seiner Jahrespressekonferenz nicht nur die USA für den Magnitski Act, sondern auch einen Tag später in Brüssel die Führung der EU. Einerseits stößt Moskau die Mauertaktik der EU-Kommission bei der Visafreiheit sauer auf. Mit 40 Ländern aus aller Welt habe die EU visafreien Verkehr, mit dem benachbarten Russland aber nicht, obwohl der bilaterale Handel ein Volumen von 400 Milliarden US-Dollar überschreite, klagte Putin.

Noch schärfer attackierte er die von der EU geforderte Trennung von Pipeline-Betreibern und Energieproduzenten. Dass die Regelung rückwirkenden Charakter haben soll, bezeichnete Putin gar als " unzivilisierte Entscheidung". Moskau versucht, eine Ausnahmegenehmigung für den Monopolisten Gasprom durchzusetzen, stößt aber damit in Brüssel auf Ablehnung. Und so scheint der Wetterbericht für Russland auch auf dessen Verhältnis zum Westen zuzutreffen: schnelle Erwärmung nicht in Sicht. (André Ballin, DER STANDARD, 22./23.12.2012)