Seestadtstraße 27, 1220 Wien

Beginnen wir in Transdanubien. Dort wird seit dem heurigen Jahr nämlich wirklich und wahrhaftig an der künftigen "Seestadt Aspern" gebaut. Das allererste fix fertige und für den möglichst dauerhaften Bestand errichtete Gebäude (denn ein paar Containerhütten und das "Flederhaus" wurden früher fertig) ist das Technologiezentrum "Aspern IQ". Das Ende Oktober offiziell eröffnete Haus wurde von der Wirtschaftsagentur Wien errichtet und beherbergt unter anderem das Seestadt-Planungs-Unternehmen "Wien 3420 Aspern Development AG". Damit befinden sich in der nigelnagelneuen Seestadtstraße Nummer 27 vermutlich die (neben den "Parkraumkontrolleuren") sichersten Arbeitsplätze Wiens: Bis 2028 sind dort die Businesspläne (zunächst mal) angelegt. Es könnte aber auch länger dauern.

Foto: Putschögl

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3 Hans Crescent, London SW1X 0LN (GB)

Länger dauern kann es auch hier noch: Auf Top 3b dieses im viktorianischen Stil erbauten Londoner Backsteinhauses mit weißem Stuck residiert nämlich Julian Assange, der Gründer von "Wikileaks", mehr oder weniger unfreiwillig. Assange flüchtete in die hier gelegene ecuadorianische Botschaft vor den britischen Behörden, die ihn an Schweden ausliefern wollen. Assange befürchtet wiederum, dass er von dort dann auch an die US-amerikanische Justiz "weitergereicht" wird.

Ein halbes Jahr ist er nun schon dort und hält sich hauptsächlich in einem 50 m² großen Raum auf. Zuletzt wurden Gerüchte über einen angeschlagenen Gesundheitszustand des Australiers publik.

Könnte Assange das schmucke Wohngebäude verlassen, wäre er in wenigen Schritten im weltberühmten "Harrod's". Er kann aber nicht, weil - siehe oben. Am 20. Dezember trat Assange zuletzt an die Öffentlichkeit, dabei nannte er die Bleibe auf Top 3b in der Londoner Hans-Crescent-Straße "Heimat, Büro und Fluchtpunkt".

Foto: APA/EPA/Okten

Wagramer Straße 2, 1220 Wien

Von einem so vielfältigen "Mixed-Use"-Objekt kann man anderswo nur träumen. Aber natürlich nicht in Wien, hier hat sich die Vielfalt immer schon mit der Einfalt gematcht. Das mausgraue Etwas beispielsweise, das der österreichisch-australische Architekt Harry Seidler in den 90er-Jahren neben sein berühmtes "Hochhaus Neue Donau" (links im Bild) gesetzt hatte, beherbergte bis vor gut einem Jahr noch ein "Cineplexx"-Kino und zur Zeit außerdem noch die Kinderwelt "Minopolis".

Ob Wien dieses Kino jemals gebraucht hat, darüber herrscht erstaunlich wenig Unklarheit. Klar ist aber auch: Demnächst wird Seidlers Kinogebäude den "Danube Flats" weichen, einem Projekt der S+B Gruppe und der Soravia Group. 500 Wohnungen sollen hier gebaut werden, die meisten davon freifinanziertes Eigentum. Sieht man von den Garagen ab, die bestehen bleiben sollen, wird dann einer von nur wenigen Seidler-Bauten außerhalb Australiens verschwunden sein. Aber in Wien "hat man's ja" - kommen sehen.

Foto: Putschögl

Landstraßer Hauptstraße 1b, 1030 Wien

Ein ewiges Kommen war auch die neue Überplattung des U- und S-Bahnhofs "Wien Mitte/Landstraße" für die Wienerinnen und Wiener. Und es ist noch immer nicht vorbei: Erst im April 2013 wird die größte Eröffnungssause steigen, wenn dann endlich alle Geschäfte aufsperren. Vor wenigen Wochen stieg die mittelgroße Eröffnungssause, da machten die ersten Shops von "The Mall" auf, und wenig später nahm auch das neue Finanzzentrum seine dortigen Flächen in Betrieb - ja, die mit dem geheim gehaltenen Mietzins.

Foto: STANDARD/Cremer

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15 Central Park West, New York, NY 10023 (USA)

So viel Geheimnis krämen braucht man in NYC nicht. Dort im an Superlative ohnehin gewöhnten "Big Apple" liebt man es, für noch suprigere Superlative gebauchpinselt zu werden. Heuer wurde das einem Russen (Dimitri Ribolowlew) zuteil, der für seine studierende Tochter (Ekaterina) eine Bleibe für den Rekordpreis von 88 Millionen Dollar erstand. Die Ex-Frau des russischen Selfmade-Milliardärs (Elena Ribolowlewa) behauptete später, ihr Ex (Dimitri) wollte das Anwesen nur vor dem Scheidungsverfahren "in Sicherheit bringen".

Wie dem auch sei: Paradoxerweise könnte 2012 dennoch als das Jahr der überzogenen Preisvorstellungen in die Immobiliengeschichte eingehen. Denn einerseits wurde jene dreistöckige Wohnung im New Yorker "City Spire", die der Sohn des Hollywood-Stards Robert de Niro (Raphael) für 100 Millionen Dollar anbietet, seit Juli noch nicht veräußert.

Und andererseits ...

Foto: APA/AP/Drew

Babenberger Straße 1/Ecke Burgring, 1010 Wien

... ja, andererseits gibt's dafür einen ebenso schönen Beleg aus der Donaumetropole Wien: Das ausgebaute Dachgeschoß ("Penthouse") eines ehemaligen Finanzministers steht nach wie vor zum Verkauf. Seit Mai wird es von Christie's International Real Estate unter dem Codenamen "Imperial Vienna" um elf Millionen Euro angeboten. Und immer noch hat sich niemand dafür erbarmt. Vielleicht liegt's ja daran, dass in den elf Millionen die Mühsal einer Grundbucheintragung nicht inkludiert ist: Es handelt sich bei dem Angebot nämlich "nur" um die Übernahme eines sogenannten Erbpachtvertrags. Es gilt jedenfalls bis auf Weiteres die Unverkäuflichvermutung.

Fotos: derStandard.at

Mühlfeldgasse 12, 1020 Wien

Etwas mehr getan hat sich heuer am anderen Ende des Wiener Wohnungsmarkts - allerdings hätte man auf diese "Bewegung" gerne auch verzichten können. Der Begriff "Bestandfreimachung" darf nämlich getrost als Immobilien-Unwort des Jahres bezeichnet werden, denn es war alles recht ungut, was man da so hörte. Insbesondere das Objekt in der Mühlfeldgasse 12 stand bzw. steht dafür sinnbildlich, hier kulminierten heuer mehrmals sämtliche im dunkelgrauen Bereich des Mietrechts gerade noch straffrei denkbaren Geschmacklosigkeiten.

Foto: Putschögl

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32 London Bridge Street, Southwark, SE1 London (GB)

Machen wir lieber wieder nochmals einen Sprung nach London: Für das neue Wahrzeichen der britischen Metropole, den von Renzo Piano entworfenen Wolkenkratzer The Shard", war 2012 das Jahr der Ups and Downs. Im Juli wurde der 310-Meter-Turm aus Stahl und Glas stolz als höchstes Gebäude Europas präsentiert. Im Oktober war man dann aber eher "not amused", als man diesen Titel nach nur wenigen Wochen an den Moskauer "Mercury City Tower" (338 Meter) wieder abgeben musste. Cruel, indeed!

Ein grausames Schicksal könnte den Investoren, hauptsächlich also dem Staat Katar, auch auf einer anderen Front drohen: Bisher einziger Mieter in der weithin sichtbaren Pryamide ist eine Hotelkette. 55.000 Quadratmeter an Büroflächen sind noch zu haben.

Foto: APA/EPA/Prinsloo

Reindorfgasse, 1150 Wien

Ganz so viel Leerstand gibt es in der Reindorfgasse im 15. Wiener Bezirk (Rudolfsheim-Fünfhaus) zwar nicht. Aber es dürfte trotzdem eine ganze Menge sein, wenn man dem heuer neu ins Leben gerufenen Wiener "Leerstandsmelder" Glauben schenkt. Dort finden sich (Stand 30.12.) Einträge für die Hausnummern 3, 5, 9, 12, 24, 27 und 30 der Reindorfgasse, was die Gasse zum "Hot-Spot" des Wiener Geschäftsraum-Leerstands werden lässt. Es könnte aber natürlich auch sein, dass der Leerstand dort nicht mehr oder weniger dramatisch als in vielen anderen eher abseits liegenden Wiener Straßen ist, und nur ein ganz besonders eifriger Unterstützer des von der "IG Kultur" gelaunchten "Leerstandsmelders" in der Nähe wohnt.

Fotos: derStandard.at

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Neue-Bahnhof-Straße Nr. 1, Wenling, Provinz Zhejiang (China)

Anderswo kann man von Leerstand ohnehin nur noch träumen, setzt doch Leerstand wenigstens die Existenz eines Objekts voraus. Der chinesische Bauer Lu Baogen und seine Gattin haben aber leider mit 2012 irgendwie "das falsche Jahr erwischt", wie man so schön sagt.

Dass wir - zugegebenermaßen - die letzte Adresse in dieser kleinen Rundschau nämlich nur höchst ungenau schätzen bzw. selbst erfinden konnten, hat unmittelbar etwas mit dem häuslichen Schicksal der Baogens zu tun. Denn wie auch immer sie genau gelautet haben mag, die Anschrift des chinesischen Paares - sie existiert nicht mehr. Wir wünschen den beiden aber, so wie natürlich allen unseren Leserinnen und Lesern, ein schönes 2013. (map, derStandard.at, 30.12.2012)

Foto: Reuters/China Daily