Eine rabenschwarze Luftmatratze für die Wittmann Möbelwerkstätten. Für Erwin Perzys Traditionshaus in Sachen Schneekugeln ein Einweckglas, in dem ein Revolver schwimmt. Und eine Wasserkaraffe mit der Gravur eines Gletscherumrisses für Lobmeyr.

Das sind drei von über 60 Projekten, die im Rahmen der Passionswege der Vienna Design Week im Laufe von sechs Jahren entwickelt wurden. Im MAK gibt es derzeit rund 40 davon unter dem Titel WerkStadt Vienna: Design engaging the city zu sehen.

Bild: MAK-Ausstellungsansicht , WerkStadt Vienna: DESIGN ENGAGING THE CITY
Passionswege 2010, Julia Landsiedl mit Erwin Perzys Original Wiener Schneekugeln

 

 

Foto: © MAK/Katrin Wißkirchen

Auf überraschende und oftmals frivole Art zeigt die Schau, wie passioniert sich heimische und international umtriebige Designer mit österreichischen Traditionsbetrieben auseinandersetzen, was dem Projektformat der Passionswege bei der Design Week das Prädikat absolutes Highlight einbrachte und mittlerweile auch auf anderen Festivals dieses Zuschnitts als Programmpunkt aufploppt.

Die Idee stammt von der Neigungsgruppe Design, die 2006 von Tulga Beyerle, Thomas Geisler und Lilli Hollein gegründet wurde und die auch die Vienna Design Week als fixe Größe in der internationalen Designszene installiert hat.

Bild: MAK-Ausstellungsansicht , WerkStadt Vienna: DESIGN ENGAGING THE CITY

Foto: © MAK/Katrin Wißkirchen

Doch wie kommt die Passion auf Schiene? Im Prinzip geht es darum, internationale Gestalter im Rahmen eines temporären Experiments mit außergewöhnlichen oder traditionellen Geschäften oder Werkstätten wie z. B. Altmann und Kühne oder der Porzellanmanufaktur Augarten zusammenzuspannen. Was ausbaldowert wird, kann dann während der Design Week beim jeweiligen Unternehmen begutachtet werden.

Dabei profitieren die Designer vom zum Teil unschätzbaren Materialwissen und Können traditioneller Häuser - diese wiederum dürfen sich eine frische Brise Innovation um die Nase wehen lassen. Was dabei herauskommt, kann sich sehen lassen, nun also auch im MAK.

Bild: Passionswege 2008
Steffen Kehrle mit Jenner & Zopf Instrumentenbau

 

Foto: MAK/© Katharina Gossow

Ziel dieser Kooperationen muss keineswegs ein Serienprodukt sein. Logo, wer kauft schon eine mit Gurken befüllte Schneekugel? Mitunter werden den Unternehmen sehr komplementäre Partner zur Seite gestellt, denen der Sinn nach ganz anderem steht.

Am Ende all dieser gemischten Doppel, die schon aus der Natur der Wiener Tradition heraus eine gewisse Abkehr von Globalisierung erkennen lassen, soll vor allem ein Prozess sichtbar werden, der nicht selten den großen kulturellen Beitrag der teilnehmenden Unternehmen an der Stadt Wien sichtbar macht. Auch weist dieser angestrebte Prozess nicht selten unternehmensberaterische Qualitäten auf - lässt neue, überraschende Sichtweisen zu.

Bild: Passionswege 2010
Julia Landsiedl mit Erwin Perzys Original Wiener Schneekugeln

Foto: © kollektiv fischka

Die Kuratorin und Autorin Sophie Lovell sowie das niederländische Designstudio Makkink & Bey inszenierten eine unaufdringliche und überschaubare Ausstellung und teilten diese in vier Bereiche: "Auslage in Arbeit", "Werkstatt der Gegensätze", Mehrwert ohne Steuer" und "Der Kunde ist König".

Bühne für die Objekte und Installationen bieten einfach Stellagen aus hellem Holz, umfasst und unterlegt wird das Ganze von weißen Flächen, auf welchen in Schwarz-Weiß verschiedene Auslagen der teilnehmenden Geschäfte grafisch dargestellt sind. Das Ganze ist gelungen, wenngleich die Präsentation vor Ort, sprich in den jeweiligen Geschäften, den ganz besonderen Reiz dieser Projekte ausmacht.

Bild: Passionswege 2008
Megumi Ito mit Confiserie Altmann & Kühne

Foto: MAK/© Katharina Gossow

Es gibt aber noch mehr Gründe, sich an diesem komprimierten Wiedersehen zu erfreuen, bei dem die Designer mischer'traxler zeigen, wie sie Schmuck von Rozet Fischmeister mit Erbsenkeimlingen zusammenbringen, oder Maxim Velcovsky Wiener Prunkbauten präsentiert, die er mittels Glasteilen aus den Kellern von Lobmeyr rekonstruierte.

Mühelos lassen sich hier sechs Jahre Passionswege für jene zurückspulen, die es bisher versäumten, auf diesen zu wandeln, und wunderbar funktioniert die Zusammenlegung zu einer Ausstellung auch als Ergänzung zur neugestalteten Schausammlung Wien 1900, die vor kurzem im MAK eröffnet wurde.

Passionswege 2009
mischer'traxler / Juwelier Rozet & Fischmeister

Foto: © kollektiv fischka

Das Passionswege-Revival ist ein ruhiges, aber deutliches und zeitgemäßes Zeichen für ein Haus, das sich Museum für angewandte Kunst nennt und sich unter der neuen Führung von Christoph Thun-Hohenstein unter anderem auch verstärkt auf die Präsentation der großen Sammlung des Hauses konzentrieren will. Die Ausstellung, der Austausch von jungem Design und zum Teil alten Zünften eignet sich also gerade hier bestens als Instrument, den Tunnelblick auf einen Begriff wie Tradition zu vermeiden, denn mitunter gehen die Gestalter nicht gerade zimperlich mit ihren Visavis um.

Bild: Passionswege 2012 (Making of)
Matylda Krzykowski mit Petz Hornmanufaktur (seit 1862) und mit Norbert Meier Bürsten- und Pinselerzeugung

 

Foto: © Teresa Steiner

Auf frischen Umwegen führen sie im MAK auch zu den Wurzeln des Museums zurück und lassen dabei zarte, aber saftig grüne Triebe sprießen. Detail am Rande: Einige der hier präsenten Unternehmen führen noch immer den "Hoflieferanten" im Titel. Dieser war einst nicht unwesentlich, wenn es darum ging, in die Sammlung des ehrwürdigen Hauses aufgenommen zu werden. Wiedersehen macht Freude. (Michael Hausenblas, RONDO, 21.12.2012)

Bild: MAK-Ausstellungsansicht , WerkStadt Vienna: DESIGN ENGAGING THE CITY

© MAK/Katrin Wißkirchen

"WerkStadt Vienna: Design engaging the City". Eine Ausstellung der Vienna Design Week in Kooperation mit dem MAK, Gastkuratorin: Sophie Lovell, Kurator MAK: Thomas Geisler; MAK Ausstellungshalle, Stubenring 5, 1010 Wien. Bis 17. März 2013;

Passionswege 2011
Tomás Alonso bei at Wiener Silber Manufactur

 

Foto: © kollektiv fischka