Heinrich Schmidinger: "Es entsteht da ein Konstrukt, das man irgendwie hinbekommen hat auf Basis eines kleinsten gemeinsamen Nenners."

Foto: Standard/Cremer

Wien - Die Universitätenkonferenz (uniko) lehnt den Regierungsentwurf für einen Probelauf zur Studienplatzfinanzierung als "Etikettenschwindel" ab. Hauptproblem: Die laut Entwurf geplante "kapazitätsorientierte, studierendenbezogene Universitätenfinanzierung" sei weder kapazitätsorientiert noch studierendenbezogen, kritisierte uniko-Präsident Heinrich Schmidinger Mittwochabend vor Journalisten. Zum Teil müssten ohnehin bereits überlaufene Unis noch mehr Studenten aufnehmen als bisher - auch als Folge eines Berechnungsfehlers im Entwurf, durch den auf die Studienanfänger im Sommersemester "vergessen" worden sei.

Studentenzahl soll festgelegt werden

Durch das neue Gesetz soll ein Probelauf für eine Studienplatzfinanzierung in fünf "Studienfeldern" (Architektur und Städteplanung, Biologie und Biochemie, Informatik, Pharmazie und Wirtschaftswissenschaften) gestartet werden, die insgesamt 19 Studien umfassen. Die Mindestzahl aller Plätze pro Studienfeld soll dabei gesetzlich festgelegt werden und sich an der Studienanfängerzahl des Wintersemesters 2011/12 orientieren. Wie viele Plätze die einzelnen Unis anbieten, soll dann zwischen Hochschulen und Wissenschaftsministerium ausverhandelt werden. Gibt es mehr Interessenten als Plätze, können die Unis Zugangsregelungen - sprich Aufnahmeprüfungen oder andere Varianten der Studentenauswahl - beschließen.

Schmidinger: "Eine halbe Sache"

Für Schmidinger handelt es sich dabei um ein "parteipolitisches Kompromisspapier" zwischen ÖVP und SPÖ: "Das erklärt sehr viele Widersprüchlichkeiten und kontraproduktive Effekte." Da die SPÖ im Grunde eine Platzbeschränkung nicht wolle, sei die Regelung nur eine halbe Sache mit halben Effekten: "Es entsteht da ein Konstrukt, das man irgendwie hinbekommen hat auf Basis eines kleinsten gemeinsamen Nenners."

Rektoren befürchten "Verdrängungseffekte"

So werde etwa die Zahl der Studienplätze nicht an den tatsächlichen Kapazitäten der Unis bemessen, sondern an der Zahl der Inskriptionen im Jahr 2011. "Und man sagt, die Zahl darf nicht sinken", so Schmidinger. Damit würden die derzeit oft "fatalen Verhältnisse" fortgeschrieben. Außerdem gelte die Regelung nur für Bachelor- und Diplomstudien, nicht aber für den Masterbereich. Der Rektoren-Chef befürchtet außerdem "Verdrängungseffekte" - so seien etwa an der Wirtschaftsuniversität (WU) nur für einen von zwei sehr ähnlichen Bachelorstudiengängen Beschränkungen vorgesehen (Wirtschafts-und Sozialwissenschaften, Anm.) und im anderen nicht (Wirtschaftsrecht, Anm.): "Die Studenten werden einfach die Seiten wechseln."

Fehler im Entwurf

Und schließlich sei offenbar noch ein handwerklicher Fehler passiert: Das Ministerium habe der uniko bereits signalisiert, dass die im Entwurf stehenden Platzzahlen noch einmal wesentlich erhöht werden - in der Architektur von 1.530 auf 1.977, in der Biologie von 3.080 auf 3.778, in der Informatik von 1.930 auf 2.582, in den Wirtschaftswissenschaften von 7.800 auf 10.828 und in der Pharmazie von 1.200 auf 1.378, so uniko-Generalsekretärin Elisabeth Fiorioli. Grund: Im Entwurf wurden lediglich die Anfängerzahlen des Wintersemesters 2011 festgeschrieben und auf jene des Sommersemesters offenbar vergessen.

Als Folge müssten manche Unis 2013 aufgrund derzeit vorgesehener Umschichtungen zwischen den Unis trotz Platzbeschränkungen dann mehr Studenten aufnehmen als vorher. Betroffen wäre etwa die Pharmazie an der Uni Graz oder die Wirtschaftswissenschaften an der Uni Wien.

Lehrende sollen als Professoren gelten

Stutzig macht die uniko außerdem ein "Selbstzerstörungs-Paragraph" im Gesetz: Dieser lege fest, dass die gesamte Regelung außer Kraft trete, wenn nicht bis März 2014 noch einmal ein eigenes Gesetz beschlossen werde. Und auch die von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle im Zusammenhang mit der Beschlussfassung versprochenen 95 zusätzlichen Professuren würden nun plötzlich sehr weit ausgelegt. Als Professor sollen laut Schmidinger sämtliche Lehrende gelten, die in der Betreuung von Studenten eingesetzt werden können. 

Töchterle: "Kein Schwindel"

Nicht nachvollziehen kann Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) die Kritik der Universitätenkonferenz (uniko) am Probelauf zur Studienplatzfinanzierung. "Da ist überhaupt kein Schwindel drin", betonte der Minister bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Der Gesetzesentwurf sei vielmehr das "Ergebnis eines Aushandlungsprozesses mit dem Koalitionspartner". Die SPÖ habe sich erstmals bereit erklärt, zu akzeptieren, dass Unis eine Kapazitätsgrenze haben. Große Hoffnungen auf grundlegende Änderungen des Entwurfs machte Töchterle den Rektoren nicht. Natürlich berücksichtige man alle Bedenken und verbessere im Detail, was zu verbessern sei. "Aber es gibt gewisse politische Rahmenbedingungen, die nicht zu ändern sind."

Ganz generell würde Töchterle dem Wunsch nach einer drastischen Reduktion der Studienplätze auch nicht nachkommen wollen. Die Ansicht der Unis, dass die Studentenanfängerzahl zu hoch festgelegt wurde, teilt der Minister nicht: "Mir ist sie nicht zu hoch." Natürlich orientiere sich die Grenze an der Nachfrage nach Plätzen und nicht am Angebot: "Wenn eine hohe Nachfrage da ist, muss man diese auch berücksichtigen." Er setzt auf eine stetige Verbesserung der Betreuungsrelationen durch zusätzliches Personal - natürlich könne man nicht von heute auf morgen optimale Betreuungsverhältnisse herstellen. Angesichts internationaler Entwicklungen gehe es aber darum, Studienplätze nicht zurückzufahren, sondern auszubauen. Eine radikale Reduktion der Plätze sei überdies politisch nicht machbar.

Mehrjähriger Prozess

"Wir können nicht schlicht nach den derzeitigen Kapazitäten gehen", meinte Töchterle. Daher arbeite man daran, die Kapazitäten zu erhöhen. Dies werde ein Prozess sein, der sicher zehn Jahre dauere: "Dann werden wir ein akzeptables Betreuungsverhältnis haben."

Bei der Berechnung der Platzzahlen in den einzelnen Studienfeldern habe man auch nicht - wie von den Rektoren argumentiert - die Einbeziehung der Studienanfänger im Sommersemester vergessen, so Töchterle: "Wir haben gar nichts übersehen. Wir sind vom Wintersemester ausgegangen, haben dann aber noch das Sommersemester dazugenommen."

Leistungsvereinbarungen abgschlossen

An einer anderen Front hat sich das Ministerium dafür mit den Unis geeinigt: Mittlerweile wurden die Leistungsvereinbarungen für 2013 bis 2015 mit allen 22 Unis abgeschlossen. In diesen wird die Verteilung des Budgets auf die einzelnen Unis bzw. die dafür zu erbringenden Leistungen festgehalten. Grundsätzlich erhalten die Unis zusätzlich zum bisherigen Budget der Periode 2010 bis 2012 von rund 6,5 Mrd. Euro die Mittel aus der Hochschulmilliarde, also insgesamt rund 7,4 Mrd. Euro. Dazu kommen noch Mittel für Uni-Bauten, der klinische Mehraufwand sowie der Ersatz für die Studiengebühren.

Für Töchterle ist das eine "gewaltige Steigerung" in den kommenden drei Jahren. Zwar wurden die genauen Zahlen pro Uni nicht bekanntgegeben, im Schnitt würden die Unis aber 14 Prozent mehr als in der Periode 2010 bis 2012 bekommen. Keine einzige Unis habe eine Steigerung von unter zehn Prozent.

"Aus für Unis"

Laut uniko-Präsident Heinrich Schmidinger ist die Verteilung der Mittel zwischen den Unis praktisch ident geblieben. Ohne die Hochschulmilliarde hätte es auch keinen Sinn gehabt, überhaupt Leistungsvereinbarungen abzuschließen. "Das wäre sicher das Aus für die eine oder andere Uni gewesen", so Schmidinger am Dienstagabend vor Journalisten.

Trotz des Abschlusses stehen bald wieder Leistungsvereinbarungsverhandlungen an: In diesen müssen sich die Unis mit dem Ministerium in den künftig neu begrenzten Fächern einigen, welche Hochschule wie viele Studenten aufnimmt. Um mit dem Probelauf zur Studienplatzfinanzierung auch im Wintersemester 2013 starten zu können, müssen diese spätestens bis März abgeschlossen sein. (APA, 20.12.2012)