Kenneth Haar: "Ein großer Sieg für große Banken."

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Die Europäische Kommission und eine Reihe von Regierungen versprechen vollmundig: Die Banken sollen nun an die kurze Leine genommen werden. Die Einführung einer "Bankenunion" werde der Bankenaufsicht in Europa neuen Biss verleihen und mit dem Desaster kostspieliger Bankenrettungen aufräumen. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde als mit neuen Mitteln ausgestatteter Oberaufseher unverantwortlichen Geschäftspraktiken ein Ende setzen. Man sollte meinen, dass die Banken den neuen Regeln skeptisch gegenüberstehen. Tatsächlich aber zeigen sie sich geradezu begeistert von der kommenden europäischen Aufsicht - aus guten Gründen:

Die Qualität einer Aufsicht basiert nicht vorrangig von der Größe der Kontrollinstanz (à la EZB) ab, sondern von der Umsetzbarkeit und Effizienz von Regeln und Vorschriften. Noch in diesem Jahr sollen mit Basel III neue Eigenkapitalvorschriften für Banken verabschiedet werden. Die EZB soll dabei für Einhaltung der europäischen Version sorgen. Doch sowohl die internationale als auch die U-Version wurden stark von den Bankenlobbys beeinflusst und verwässert. Die EU-Richtlinie beinhaltet keine Mindestanforderungen für Eigenkapital wie in Basel III vorgesehen, sondern setzt lediglich eine Obergrenze fest, welche die Aufsichtsbehörden den Banken auferlegen können. Ein großer Sieg für große Banken für den sie lange und hart gearbeitet haben. Egal wie effektiv die EZB die Banken daher beaufsichtigt - sie kann die Schwachstellen der Regulierung nicht kompensieren. Das bedeutet, dass die Bankenunion paradoxerweise dazu dienen wird, den Sieg der Banken über die (ohnehin schwachen) Basel-III-Vorschriften zu besiegeln.

Seit Jahren lobbyieren die Banken für einen "echten Binnenmarkt" im Bereich der EU-Finanzdienstleistungen. Eine europäische Bankenregulierung nach ihren Wünschen wäre ein wichtiger Schritt dahin und steht somit ganz oben auf ihrer Liste. Nach der erfolgreichen Verwässerung der Eigenkapitalvorschriften ist es daher kein Wunder, dass auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann die Bedeutung von "harmonisierten" Regeln hervorhebt.

Für eine europäische Bankenaufsicht wurde ins Treffen geführt, dass sie der zu sanften Behandlung der lokalen privaten Banken durch die nationalen Regulierungsbehörden entgegenwirken werde. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Fällen in Europa, bei denen diese Kritik zutrifft.

Die Frage ist: Warum sollte sich das ausgerechnet mit der EZB ändern? Die meisten EZB-Vertreter kommen ebenfalls aus dem privaten Bankensektor. Dieser Klub hochrangiger Privat- und Notenbanker hat in der Vergangenheit stets die Selbstregulierung der Banken befürwortet. Es gibt also keinen Grund anzunehmen, dass die EZB grundsätzlich strenger mit den Banken umgehen werde - und schon gar nicht mit den Großen.

Die gute Nachricht für die Banken lautet: Weder der EU-Rat noch die Kommission planen eine Bankenabgabe, die einen Fonds füllen kann, der im Ernstfall für eine Rettung ausreichen würde. Im Notfall werden wieder die Steuerzahler einspringen müssen. Der Zeitdruck der Verhandler ist zudem groß, da die dringend erwartete Öffnung des ESM für die spanischen Banken an die Verabschiedung der Bankenunion geknüpft ist. Die Bankenunion könnte somit gänzlich ohne Beschluss einer Bankenabgabe eingeführt werden.

All das macht deutlich, dass es nicht darum geht gegen unverantwortliche Banken vorzugehen - wäre dies der Fall, würden Kommission und Regierungen für eine starke Regulierung im Rahmen von Basel III und auf EU-Ebene eintreten. Die Debatte war von Beginn an von der Banklobby bestimmt, und die EU-Kommission hat sich hier sehr willig angeschlossen.

So bleibt von der Bankenunion als "Rezept gegen den instabilen Finanzsektor" nur scheinheiliges Gerede, welches von der Notwendigkeit stärkerer Regulierungen ablenkt. Wir sollten daher endlich darüber nachdenken, was getan werden muss, wenn die Banken erneut krachen.

Jede Regulierung des Bankensektors wird scheitern, solange nicht das Grundübel der "Too big to fail"-Banken beseitigt wird und zusätzlich ein riesiger unregulierter Schattenbankensektor in Steueroasen sein Unwesen treibt. Die Bankenunion hingegen schafft kaum mehr als gute Voraussetzungen dafür, öffentliches Geld erneut auf private Konten zu transferieren. (Kenneth Haar, DER STANDARD, 20.12.2012)