Polizisten in South Central L. A. arbeiten unter erhöhter Lebensgefahr: Jake Gyllenhaal (re.) und Michael Peña in David Ayers packendem Cop-Thriller "End of Watch".

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Ein kompakter, harter Genrefilm, der sich realitätsnah gibt.

Wien - Auf Patrouille gehen ist nicht von ungefähr ein Begriff, der aus dem Militärischen kommt. Ein vorab definiertes Terrain wird durchstreift, mit der Absicht, die Sicherheit der Umgebung zu gewährleisten. In South Central L. A., einer für seine hohe Verbrechensrate und insbesondere Drogen- und Bandenkriege notorisch bekannten Region, ist bei der Polizei auch noch etwas von der kriegsnahen Bedeutung übriggeblieben: Kampfpatrouille. Denn die Cops leisten hier nicht einfach nur Präsenzdienst, sie werden regelmäßig in blutige Schießereien verwickelt.

Ein solcher Einsatz steht gleich am Beginn von David Ayers neuem Film End of Watch. Taylor (Jake Gyllenhaal) und Zavala (Michael Peña) nehmen die Verfolgung eines Wagens auf, die im Zickzackkurs durch das Viertel führt. Die Kamera läuft mit, filmt gewissermaßen in erster Person durch die Windschutzscheibe, während Taylor aus dem Off in die Ethik der Polizeiarbeit einführt. Am Ende stehen sich die Wagen dann gegenüber, und Verfolgte eröffnen auf Verfolger das Feuer.

US-Regisseur David Ayer ist mit South Central L. A. (das neuerdings South Los Angeles genannt wird, um das schlechte Image zu zerstreuen) auf besondere Weise verbunden. Er hat schon als Teenager in der Stadt gelebt, später schrieb er das Drehbuch zum gefeierten Cop-Thriller Training Day, der auf seinen Recherchen bei der L.A.P.D. aufbaute. Auch seine bisherigen Regiearbeiten, Harsh Times sowie die James-Ellroy-Adaption Street Kings, blieben dem Schauplatz treu.

In End of Watch, den er nun wieder selbst geschrieben hat, setzt Ayer seine stets auf Straßenniveau angepasste und um Realitätssinn bemühte L. -A.-Erzählung in einer merkbar von TV-Formaten beeinflussten Weise fort. Einerseits bedient er sich dafür eines Pseudonaturalismus, wie er in letzter Zeit vor allem in Horrorfilmen benutzt wurde: Die Kamera wandert unter einem vordergründigen Vorwand in die Hand eines der Protagonisten. In diesem Fall in jene des ambitionierten Taylors, der für einen Weiterbildungskurs einen Videobeitrag über seine Arbeit anfertigen will. Das führt zu den entsprechend verwackelten Bildern, die natürlich nicht weniger inszeniert sind - sie überschreiten die Perspektive des Polizisten ständig - und die wohl an Reality-TV-Formate von polizeilichen Streifenfahrten anschließen sollen.

Die glücklichere Anpassung geschieht in dramaturgischer Hinsicht, denn End of Watch verläuft zwar im Großen und Ganzen recht linear, die Erzählung wird allerdings - wie in einer komprimierten Serie - in kleinere Einheiten aufgesprengt. Sie bieten, den Bedingungen eines Streifendienstes folgend, unterschiedliche Einblicke nicht nur in den Polizeialltag, sondern eben auch in jenen einer Bevölkerung, in der Drogenmissbrauch und organisierte Kriminalität zu einer sehr niedrigen Reizschwelle geführt haben. Taylor und Zavala müssen sich dabei nicht nur bei hitzigen Ehestreits, sondern etwa auch als Feuerwehrmänner bewähren.

Das Episodische des Films intensiviert noch den Eindruck, dass die beiden Polizisten an der Gesamtlage ohnehin wenig zu verändern vermögen, da sie ja nur auf unterer Ebene ihren Dienst vollziehen. Taylors Ehrgeiz zielt allerdings auf Höheres, er beginnt sich für die Zusammenhänge zu interessieren und bringt schließlich auch seinen Kumpel dazu, ihn dabei zu unterstützen, gegen die Handlanger des mexikanischen Drogenkartells einzuschreiten. Eine Entwicklung, die die Ordnung ins Kippen bringt.

Die Dringlichkeit, mit der Gyllenhaal und Peña diese Kombination aus Ehrgeiz, Rechtschaffenheit und Übermut verkörpern, ist eine der größten Stärken des Films. Ayer wiederum hält sich an die moralischen Codes, die das Genre vorschreibt: Zwischen den Fronten gibt es klare Linien, und die Brutalität nimmt eindeutig auf der Seite der Gangster zu. Die Direktheit, mit der End of Watch dieses Duell auf den Straßen zu Ende denkt, hat dann tatsächlich etwas von Bürgerkrieg. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 20.12.2012)