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Ein Drittel der Deals soll in den letzten sechs Monaten sogar mit weniger als 30 Prozent Eigenkapital unterlegt worden sein.

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Raunz nicht, kauf! Dieses Motto beherzigen Finanzinvestoren in letzter Zeit wieder. So wie im Möbelhaus passiert das aber auch bei Unternehmenskäufen zunehmend auf Pump. Die Heuschrecken sind wieder da: Sie stürzen die von ihnen übernommenen Firmen in Schulden, um weniger Eigenmittel einsetzen zu müssen.

Geldschwemme verführt

Nach der Krise ist vor der Krise. Noch nie hat die Europäische Zentralbank (EZB) so viel Geld in Umlauf gesetzt wie heute. Auch die US-amerikanische Fed steht ihr darin um nichts nach. Die daraus entstandene Liquiditätsschwemme hat die Kassen der Banken mit Geld gefüllt. Die Institute suchen nun nach Möglichkeiten, es gewinnbringend einzusetzen.

Die Kreditvergabe ist eine Möglichkeit dazu. Und es ist eine, von der sich Private Equity- und Hedgefonds gute Geschäfte erwarten. Sie nutzen den wiedererstarkten Kreditmarkt, um Firmen mit geringeren Barmitteln zu kaufen.

Ein Drittel Cash

Das lässt sich mit Zahlen belegen. Vom vollen Ausbruch der Finanzkrise 2008 bis in das Frühjahr dieses Jahres wurden Firmenkäufe im Schnitt zu 42 Prozent mit Eigenmitteln gestemmt. In den letzten sechs Monaten allerdings gab es einen rapiden Rückgang auf 33 Prozent, wie das Wall Street Journal (WSJ) unter Berufung auf Daten des Finanzdienstleisters Thomson Reuters berichtet.

Das kratzt an den Tiefständen von 2006 und 2007, als pro Übernahme nur 31 bzw. 30 Prozent Eigenmittel eingesetzt worden sind. Ein Drittel der Deals soll in den letzten sechs Monaten sogar mit weniger als 30 Prozent Eigenkapital unterlegt worden sein.

Schulden überrunden Gewinne

Ein weiteres Signal für mehr Risikobereitschaft ist die Höhe der Schuldaufnahme. Im Zeitraum Juli bis Dezember wurde übernommenen Firmen im Schnitt das 5,5-Fache des Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) an Schulden aufgepfropft. Ein so hoher Wert wurde seit Anfang 2008 nicht mehr erreicht, ist dem Datendienst von Standard & Poors zu entnehmen.

Hinter dieser Strategie steht eine Marktregel: Eigenkapital ist teurer als Fremdkapital. Da die Anteilseigner einer Firma ein höheres Risiko eingehen - Stichwort Haftung - erwarten sie eine Rendite, die die Zinsen einer Veranlagung bei der Bank übersteigt.

Einer der liebsten Kennzahlen der Branche ist dabei die Eigenkapitalrendite. Je geringer der Anteil der Eigenmittel am Gesamtkapital und des mit seiner Hilfe erwirtschaften Gewinns, desto höher fällt diese Kennzahl aus. Als Visitenkarte der Branche hübscht sie die Performance eines jedes Finanzmanagers auf.

Risiko steigt

Kommt es dann zu einem Verkauf, streicht die Firma den Gewinn ein. Wenn das Verkaufsobjekt überlebt hat. Was nämlich oft übersehen wird, ist, ob die übernommenen Firmen die ihnen überlassene Schuldentilgung auch stemmen können. Die Ratingagentur Moody's hat errechnet, dass das Risiko, in Insolvenz zu rutschen, für sie besonders hoch ist.

Für ihre Studie haben die Analysten 40 zwischen 2006 und 2008 auf Pump übernommene Firmen unter die Lupe genommen und verfolgt, wie viele davon im Jahr 2009 ihre Schulden nicht mehr bedienen konnten. Es waren ganze 26 Prozent. Nahm man vergleichbare Unternehmen her, die nicht exzessiver Verschuldung ausgeliefert waren, lag die Insolvenzquote lediglich bei 17 Prozent, berichtet das WSJ.

Mahnmal Tribune

Dass Hedgefonds oftmals den Konkurs des verschuldeten Kaufobjekts hinnehmen, ihre Ausstiegskosten minimieren und sich einer neuen Firma zuwenden, hat ihnen den Spitznamen "Heuschrecken" eingebracht. Ein Beispiel ist das Medienunternehmen Tribune. Es wurde 2007 vom Immobilien-Unternehmer Sam Zell übernommen, wobei er selbst weniger als 15 Prozent des Kaufpreises beisteuerte. Der Rest war auf Pump finanziert, wobei die dem Medienhaus aufgeladenen Schulden den Gewinn um das Achtfache überstiegen.

Im Zuge der Krise 2008 ging Tribune Pleite, seitdem streiten sich alte und neue Schuldner. Die neuen Schuldner rund um das Investmenthaus J.P. Morgan Chase und den Hedgefonds Oaktree sicherten sich die Fernseh- und Radiosparte des Konzerns. Die Zeitungen, darunter die Chicago Tribune, dürften nun auf den Markt geworfen werden.

US-amerikanischer Reigen

Die Angst vor so einem Szenario ist in letzter Zeit aber wieder gesunken. Die Bilanzen der gekauften Firmen seien stärker als vor der Schuldenkrise, davon sind viele Fondsmanager überzeugt. Einer davon ist Francesco Ossino, der den Virtus Senior Floating Rate Fund leitet. Dem Finanzmanager ist die geringere Eigenmittelausstattung bei Firmenkäufen nicht entgangen. Dennoch kauft er in großem Stil Schulden aus fremdfinanzierten Übernahmen auf, wie er der WSJ kundtat. Das, was es an finanzieller Absicherung dabei gibt, reicht ihm.

Nicht nur dieser Fondsmanager vertraut den schuldenfinanzierten Deals. Die Übernahme der US-amerikanischen Kesselbaufirma CleaverBrooks erfolgt nur zu 30 Prozent mit Eigenkapital. Die Lacksparte des Chemiekonzerns Du Pont wechselt ebenfalls den Besitzer, der Käufer Carlyle Group soll aber nur 25 Prozent dafür selbst auf den Tisch legen. Derselbe Käufer steckt hinter dem Kauf der Bildagentur Getty Images. Hier setzt Carlyle 28 Prozent Eigenmittel an, berichten mit dem Deal Vertraute der WSJ. Im Schlepptau beider Übernahmen entstehen nun über sechs Milliarden Dollar (4,5 Milliarden Euro) neue Schulden.

Die Heuschrecken feiern eine Renaissance. Und es scheint so, also ob das, was bei den Staaten zunehmend verpönt ist, bei Unternehmensübernahmen wieder en vogue wird: Schulden. (sos, derStandard.at, 19.12.2012)