OCT-Aufnahme: Die einzelnen Schichten der Netzhaut sind klar erkennbar.

Foto: Meduni Wien

Aufnahmen des Auges sehen immer wie Bilder von fernen Planeten aus, wie bei Bildern des Mondes lassen sich dort Berge, Täler und Flussbetten erkennen. Die Möglichkeit, hinter das Auge zu blicken, also dorthin, wo die eigentliche optische Reizverarbeitung passiert und Bilder entstehen, existiert seit dem 19. Jahrhundert, diese Bilder auch fotografisch zu dokumentieren wurde am Beginn des 20. Jahrhunderts realisiert.

Mit der Einführung der Fluoreszenzangiografie in den 60er-Jahren wurde es möglich, auch dynamische Prozesse in den Gefäßen und Gewebestrukturen der Netzhaut zu erfassen. "Wir können die Verteilung des Farbstoffes im Auge live mitverfolgen und daraus Schlüsse ziehen", erklärt Christian Simader. Er ist nicht nur Ophthalmologe an der Universitätsklinik für Augenheilkunde der Med-Uni Wien, sondern auch technischer Physiker, der sich aufgrund seines Hobbys, des Fotografierens, schon während des Studiums mit bildgebenden Verfahren zu beschäftigen begann. Wenn durch Krankheitsprozesse bedingte neu gebildete Gefäßstrukturen durch schlechte Abdichtung an den Gefäßwänden Flüssigkeit in die Netzhaut verlieren oder Äderchen platzen, so wie es bei der AMD der Fall ist, schädigt dies umliegende Bereiche. Indem Patienten fluoreszierender Farbstoff in die Armvene gespritzt wird, können solche Veränderungen sichtbar gemacht werden. "Wir erzeugen eine Art Schattenbild", so Simader. Allerdings: Wichtige andere Parameter auf der Netzhaut lassen sich dadurch nicht erkennen.

Dreidimensionales Ziel

"Stellen Sie sich vor, sie schauen vom Mond aus auf die Erde. Eventuell lässt sich der Mount Everest erkennen, den Kahlenberg würde man allerdings sicher nicht identifizieren", erklärt er. Für das Sehen sind viele Bereiche im Auge relevant, zweidimensionale Bilder bieten eben nur unzureichend Einblick.

Zum Erfassen dessen, was in der Netzhaut durch lecke Gefäße und geplatzte Kapillaren noch alles passiert, war die Angiografie allerdings ebenfalls unzureichend. Mit der optischen Kohärenztomografie (OCT) hat die Augenheilkunde ganz neue Einblicke gewonnen. "Es ist ähnlich wie Ultraschall. Wir schicken aber keinen Schall, sondern Lichtwellen rein, die dann von den verschiedenen Schichten jeweils zurückgeworfen werden", erklärt Simader. Während beim Ultraschall die Zeitdifferenz zwischen den reflektierenden Schallwellen gemessen wird, erzielt man bei den viel schnelleren Lichtwellen die Tiefenauflösung durch die Interferenz von Strahlen. Michelson-Interferometer heißt das Prinzip, das für die OCT genutzt wird - es wurde ursprünglich Ende des 19. Jahrhunderts zur Untersuchung des "Äthers" im Weltall etabliert.

Auch die OCT-Technologie und ihre Messmethoden entwickeln sich weiter. War früher bei der Time-Domain-OCT die Gewinnung der Tiefeninformationen nur durch mechanische Bewegung eines Spiegels möglich, wird dies heute durch das Aufsplitten des Frequenzspektrums erreicht. Auch immer bessere Laser, Optiken und Detektoren und die immer stärkere Rechenleistung von Computern treiben den Erkenntnisgewinn der Forscher voran.

"Mit den neuesten Verfahren wie der Swept-Source-OCT mit durchstimmbarem Laser oder der polarisationssensitiven OCT mit zusätzlicher Auswertung doppelbrechender und depolarisierender Eigenschaften der Netzhaut machen wir das Auge zu einer Art Spiegel und generieren damit immer neue Einsichten in Augenerkrankungen", so Simader. Ungelöste Fragen gäbe es - so wie im Weltall - auch bei Netzhauterkrankungen genug. (pok, DER STANDARD, 19.12.2012)