Auf die Straßenbahn oder auf das Fahrrad setzen? Ein Rankingmodell will verschiedenste Verkehrsprojekte vergleichbar machen, um der Stadtplanung zu präziseren Entscheidungen zu verhelfen.

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Die einen fahren lieber Bus, die anderen lieber Straßenbahn, und manche nehmen prinzipiell das Rad. Wie sich die Menschen in ihrer täglichen Umgebung fortbewegen, scheint zunächst eine individuelle Entscheidung zu sein. Es ist aber zu einem der brisantesten Themen der Stadtplanung geworden.

Der Nah- und Regionalverkehr liegt zunehmend in der Verantwortung der Städte und Länder. Gleichzeitig können diese aber nicht allein die nötigen finanziellen Mittel für seine Erhaltung und seinen Ausbau aufbringen. Zusätzliches Geld kommt vom Bund und aus diversen Fördertöpfen. "Es gibt verschiedenste Förderungen, die nach unterschiedlichen Kriterien funktionieren", sagt Gerd Sammer, Professor am Institut für Verkehrswesen an der Universität für Bodenkultur. Und selbst die einzelnen Kriterien seien teilweise nicht exakt definiert.

Herumwurschtelei

Mehr Klarheit in dieses System zu bringen, das war der Ausgangspunkt für das "Umweltverbund-Rankingmodell", das Sammer im Auftrag des Österreichischen Städtebundes entwickelte. Um nicht "so weiterzuwursteln wie bisher", soll dieses Instrument Informationen aufarbeiten und diese nach einheitlichen und nachvollziehbaren Regeln bewerten.

Der Fokus des Modells liegt auf umweltfreundlichem Verkehr. Denn für die Entwicklung und den Einsatz nachhaltiger Verkehrsmittel sind spezielle Fördermittel reserviert, etwa aus dem Klimafonds des Verkehrs- und Lebensministeriums.

Auch der Einsatz der Mineralölsteuer stehe hier zur Debatte, sagt Sammer. Sie wird vom Bund in Form von Pauschalen an die Länder ausgezahlt, die wiederum ihre Verwendung unterschiedlich handhaben können.

Das Rankingmodell soll nun helfen, vorgeschlagene Maßnahmen zu evaluieren und gezieltere und transparentere Entscheidungen über deren Förderung zu treffen. "Es funktioniert nach dem anerkannten Verfahren der Kosten-Nutzen-Betrachtung", erklärt Sammer. Verschiedenste Aspekte eines Verkehrsprojekts werden dabei erhoben und in Zahlen übersetzt. Betrachtet werden etwa die Gesamtkosten des Vorhabens, die Arbeitsplätze, die dadurch geschaffen werden, sowie vorhersehbare Nebeneffekte wie Lärm- und Schadstoffbelastung, Unfall- und Klimakosten.

Geld als Vergleichswert

"Geld ist dabei nichts anderes als der Maßstab, auf den man sich geeinigt hat", erläutert Sammer. "Wenn Lärm verursacht wird, zahlt das nicht unbedingt der Verursacher, sondern jener, der ihm ausgesetzt ist, und zwar mit seiner Gesundheit." Auch das könne quantifiziert und in einen Geldwert übersetzt werden. Das sei für den Vergleich sinnvoll, und jeder könne sich so davon eine Vorstellung machen.

Ziel ist es, somit auch sehr unterschiedliche Projekte vergleichbar zu machen. So kann nach den anzugebenden Kriterien etwa der Bau eines Fahrradabstellplatzes mit dem einer Brücke verglichen werden.

Das macht Sinn, wenn man für bestimmte Regionen oder Strecken abwägen muss, welches Fortbewegungsmittel man fördern will. So können Bus und Straßenbahn, Fahrrad und Fußgang miteinander kontrastiert werden, um zu entscheiden, für welche der Zielgruppen man die Verkehrslage attraktiver gestalten will.

Den Berechnungszeitraum für die Auswirkung und Kosten der Projekte hat man auf 15 Jahre festgelegt. Viele der Maßnahmen hätten natürlich eine weit höhere Lebensdauer, aber auch hier ist man um Einheitlichkeit bemüht, damit der Vergleich möglich wird.

Unklare Regeln

In Deutschland und der Schweiz seien die Regeln für die Vergabe von Verkehrsförderungen viel klarer. In Österreich sei wenig definiert, und viel werde freihändig entschieden. "Das schafft viel Missmut, vor allem in Zeiten, in denen nicht viel Geld vorhanden ist. Das wenige, das man zur Verfügung hat, sollte man daher transparent und gerecht verteilen", sagt Sammer. Die Berechnungen, die man mit dem Modell durchführen kann, seien auch für eine nachträgliche Argumentation sehr brauchbar, meint Sammer.

Sammer ist daher durchaus optimistisch, dass sich eine Standardisierung der Förderungslandschaft durchsetzen wird. Dennoch sei es bis dahin " noch ein langer Weg". Es fehle an Bewusstsein. Politiker des Bundes, der Länder und Städte müssten sich auf eine Strukturänderung einigen. Außerdem müsse die "freihändige Förderung" eingeengt werden.

"Da bedarf es noch einiger Überzeugungsarbeit", weiß Sammer, der das Modell gemeinsam mit dem Städtebund erstmals im November bei einer Konferenz der Öffentlichkeit präsentierte.

Prinzipiell plädiert Sammer dafür, dass jede politische Entscheidung durch solche Informationstools vorbereitet werden sollte. Zugleich betonte er, dass das Rankingmodell in seiner Rolle als Instrument richtig verstanden werden müsse: Man jagt ein Projekt durch den Kriterienkatalog, und dieser spuckt Zahlen aus. Die Entscheidung, ob das Projekt letztendlich förderungswürdig ist oder nicht, sei aber natürlich nach wie vor eine politische. So liegt nun auch die "dringende" Entscheidung über eine Vereinheitlichung der Förderungslandschaft bei der Politik. (Julia Grillmayr, DER STANDARD, 19.12.2012)