Das Werkl steht, sagt die Statistik. 0,0 Prozent war der Zuwachs in der türkischen Bauwirtschaft vom 2. zum 3. Quartal in diesem Jahr. Aber Ali Aĝaoĝlu (sprich: A-a-ohlu) sprengt immer noch auf einem Schimmel durch sein Reklamevideo, Konjunkturermüdung hin oder her. Der Baumagnat, ein Produkt des ersten Jahrzehnts der religös-kapitalistischen Regierungspartei AKP, wirbt für sein Projekt einer Luxusstadt am Rand von Istanbul und mit eigenem Wald. „Maslak 1453" heißt das Ganze, quasi die Selbsteroberung des Büro- und Finanzviertels Maslak durch die neue türkischen Bourgeoisie nach der Kleinigkeit mit dem osmanischen Heer und Konstantin XI. vor 560 Jahren. Allein im November hat Großbaumeister Aĝaoĝlu 1459 Wohnungen vertickt, die es noch gar nicht gibt, und dafür knapp 810 Millionen Lira eingenommen, umgerechnet 346 Millionen Euro. So etwas nennt man auch gemessen an orientalischer Verkaufskunst genial.

Ali Aĝaoĝlu ist kein Mann der leisen Töne. Wer kann, der kann, und Ali Aĝaoĝlu kann. Das zeigt er in seinem Reklamestreifen. Sitzt am Weltenplaner-Schreibtisch, nichts ist ihm recht. „Das nicht, das auch nicht, das erst recht nicht, weg damit", sagt er. Unfähigkeit und Inkompetenz, wohin man schaut. Da muss der Architekt dann eben kurz einmal selbst nachdenken. Wunsch und Wille: „Ich möchte, dass die Menschen glücklich sind. Ich möchte eine Umgebung schaffen, in der sie leben können." Deshalb also „Maslak 1453", eine astreine Ali-Aĝaoĝlu-Stadt für Ali-Aĝaoĝlu-Menschen, am Rand des Maslak-Viertels und am Eingang des „Fatih Ormanı", des Fatih-Waldes. Durch den selbigen reitet unser Architekt und hinterlässt noch einen Spruch: „Geschichte schreiben nicht diejenigen, die träumen, sondern jene, die sie verwirklichen." Evet.

Beim Wald gibt's leider - für Herrn Aĝaoĝlu - mittlerweile etwas Brösel. Der AKP-Regierung ist der unternehmerische Geist des Bauherrn Aĝaoĝlu doch zu viel geworden. Die Übernahme der Waldverwaltung hat sie ihm verwehrt, sehr zu Aĝaoĝlus Ärger. Das Ego des angeblich zehntreichsten Türken im Land geht auch anderen auf die Nerven. Der Schlüsselbegriff ist „sonradan görme", der türkische Ausdruck für die Neureichen mit wenig Kultur, aber viel Moneten - wörtlich etwa: „der später erst sieht" oder „dessen Augen später erst aufgehen". Der jüngste Werbespot von „sonradan görme" Ali Aĝaoĝlu war so großspurig, dass er rasch parodiert wurde. Eine Version zeigt Großbaumeister Aĝaoĝlu als ungehobelten Parvenü aus der Provinz: in der Nase bohren, am Gesäß kratzen, einen Schuh nach dem Sekretär werfen. Aĝaoĝlu preist die guten Einkaufsmöglichkeiten in seiner neuen Stadt an (ein Straßenhändler wedelt mit Papiertaschentücher) oder auch einen Friedhof zu ewigen Ruhe. Weil das Geld für das Projekt nicht ganz gereicht hat, findet „Maslak 1453" zudem in der Provinz Denizli statt, eine gute Flugstunde entfernt von Istanbul.

Schließlich gibt es Baukonzerne, die selbst auch ganz lustig tun - wohl in bewusster Abgrenzung zu den einschlägigen Konkurrenten. Bulut Inşaat gehört dazu. Im jüngsten Spot von Bulut sieht man einen aufrechten Herrn schaufeln, der besser kein Werkzeug in den Händen halten sollte. Tembel will ein Haus bauen und es dann an Bulut Inşaat verkaufen, so erklärt er zumindest seiner Frau. Bulut Inşaat hat große Pläne mit der Türkei, und Tembel will mit seinem kleinen neuen Haus Teil der großen Städterevolution werden, die der Baukonzern vorhat. Im Grunde ja rührend. „Tembel" ist der Name für schlichte Gemüter von der türkischen Schwarzmeerküste um Trabzon herum:

(Markus Bernath, derStandard.at, 17.12.2012)