Steven and William Ladds spezielle Stadtansichten zu "New York City". 

Foto: Andrew Zuckerman © the artists

Klosterneuburg - Wer noch in Williamsburg lebt, hat die Chance verpasst. Das Unverbrauchte, noch nicht Etablierte wird jetzt in Bushwick vermutet, wo die Mieten noch niedriger sind. Von den rund 70 Künstlerinnen und Künstlern, die der Kurator John Silvis in dem neuen In-Viertel in Brooklyn besuchte, vertreten im Essl-Museum nun jedenfalls 19 das neue New York.

"In Bushwick it is very romantic", schwärmt auch der Maler Ryan Ford in einem der Interviews auf der Museumswebsite. Mit seiner Arbeit drückt Ford nicht unbedingt romantische Stimmung aus: When I Finger My Pussy It Feels Like a Thousand Horses Running Down the Highway titelt eines seiner surreal anmutenden Bilder, auf dem nackte, masturbierende Frauen auf Pferden reiten. Inmitten des wüsten Gewühls patrouillieren zudem zwei Autos, die man unschwer als Autos des New York Police Department entlarvt.

Formale Experimente

Wäre da nicht auch noch das sehenswerte Video 5 lessons and 9 questions about Chinatown von Shelly Silver, würde man sich insgesamt dennoch kaum in einer Ausstellung wähnen, die etwas mit New York zu tun hat. Schon auf den ersten Blick dominieren eher formale Experimente und abstrakte Gemälde, die man auch anderswo schon gesehen hat: Dazu gehören die kleinformatigen, sehr subtilen Abstraktionen von Ann Pibal genauso wie die gestische Malerei von Vince Contario oder die riesigen Gemälde von Siebren Versteeg.

Letzterer beruft sich zwar dezidiert auf die lokale Malereitradition; mit seinen digital produzierten Bildern erreicht er allerdings kaum jene Tiefe, die dem abstrakten Expressionismus New Yorker Prägung einst zu Weltruhm verhalf.

Dass man sich überhaupt an die 1950er-Jahre erinnert, liegt zum einen daran, dass man im Pressetext nicht unerwähnt lässt, dass sich Karlheinz und Agnes Essl 1959 dort kennengelernt haben. Zum anderen bekommt man in der heterogenen Schau aber auch unweigerlich mit, dass die Stadt seit langem als Auffangbecken für Künstlerinnen und Künstler unterschiedlichster Herkunft fungiert: Der in New Jersey geborene Pastorensohn Brent Everett Dickinson verarbeitet in seiner durchaus komplexen Installation die seine Kindheit dominierende christliche Tradition. Und Reid Strelow hat seine Leidenschaft für natürliches Material aus Minnesota mitgebracht.

Neben riesigen Holzskulpturen, die an überdimensionales Kinderspielzeug erinnern, stehen auf einem Tisch 180 Apfelmusgläser: Years Supply of Applesauce titelt das ungewöhnliche Werk, das man zumindest über das Stichwort "organic food" mit New York in Zusammenhang bringt. Dass mittlerweile auch Nachhaltigkeit zu den dort kultivierten Werten gehört, ist in der Ausstellung jedoch unübersehbar. Lisa Sigal stellt Fliegengitter zu fragilen Rauminstallationen zusammen, Rob Fischer greift auf einen Turnboden aus Wisconsin zurück, und die Brüder Steven und William Ladd recyceln sogar ihre eigenen Werke.

Wollige Landschaftsgemälde

Es handelt sich dabei um mit Wolle und Garn arrangierte Landschaftsgemälde, vor denen man dann endgültig den Glamour vermisst, den man mit der Stadt einst verbunden hat. Die glänzenden Installationen von Egan Frantz (Spross der Talking Heads) und der Maler Rico Gatson (er referiert auf Basquiat) erinnern zwar noch an diese ruhmreichen Zeiten. Insgesamt haben die Künstlerinnen und Künstler die coolen 1980er-Jahre aber längst überholt.

Heute wird nicht mehr geklotzt, sondern neben handwerklicher Präzision auch an globale Themen gedacht. Im internationalen Vergleich macht dies das "neue" New York zwar nicht sehr spezifisch, vielleicht räumt die Ausstellung aber auch genau deswegen endlich mit dem Konzept von Städte- und Länderausstellungen auf. (Christa Benzer, DER STANDARD, 15./16.12.2012)