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Mia Eidlhuber, 41, ist seit 2004 beim STANDARD, seit 2009 Redakteurin im ALBUM. Seit November leitet sie das Magazin "family" des STANDARD, das fünf Mal pro Jahr erscheint.

Foto: Archiv

"Mama", sagt das Kind, wenn es ihm reicht, "damit habe ich jetzt echt nichts zu tun!" Und meint: mit euren Konflikten, euren Streitereien, mit eurem Scheiß. Ich verstehe das, denn das Kind hat recht. Das Kind hat das gelernt. Gelernt zu sagen: Lasst mich aus dem Kraut, ich bin nicht schuld, trage für eure Trennung keine Verantwortung.

Dass Kinder das lernen, dafür gibt es mittlerweile Profis in Form von Vereinen und Therapeuten. Das gab es früher eher nicht. Vielleicht fühlte es sich für mich deshalb so lange so bescheuert an, die Statistik zu bestätigen. Die Statistik besagt nämlich, dass Scheidungskinder sich mit höherer Wahrscheinlichkeit scheiden lassen als Nichtscheidungskinder. Als habe man mir einen programmierten Chip eingebaut, der sich irgendwann aktiviert. Hat man ja auch.

Denn tatsächlich habe ich es geschafft, manches von dem zu wiederholen, was meine Eltern gemacht haben. Konstellationen nachzubauen, ohne dass ich das jemals vorhatte. Unbewusst sozusagen. Dabei wollte ich einmal alles ganz anders machen. Besser. Aber nein, genau: der Chip. Einmal Scheidungskind, immer Scheidungskind.

Keine Therapeuten am Land

Wobei: So alt ist das Phänomen noch gar nicht. Und vielleicht verhält es sich so wie beim Thema Migration. Die erste Generation Einwanderer hat noch mit ganz anderen Problemen und Sorgen zu kämpfen als die nächste. Und bei der dritten Generation schaut schon alles ganz anders aus. Als erste Generation Scheidungskinder sah man manchmal noch ganz schön blöd aus der Wäsche. Da besagte die Statistik noch nicht, dass sich Scheidungen im "Normalbereich" einer Gesellschaft bewegen.

Da war man noch etwas Besonderes, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem man nichts lieber als ganz normal gewesen wäre. Und Therapeuten waren auch nicht sehr verbreitet, nicht in den 70er Jahren und schon gar nicht auf dem Land. Das mit den Therapeuten habe ich dann sehr viel später nachgeholt. Es hat eine Weile gedauert, aber heute klappt das ganz gut. Ich habe mit den Jahren auch dazugelernt. "Mama", sage ich heute, wenn es mir reicht, "damit habe ich jetzt echt nichts zu tun!" Und das Beste: Sie versteht es. (Mia Eidlhuber, derStandard.at, 16.12.2012)