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"Liebe gegen Homophobie" - Ukrainische LGBT-AktivistInnen protestierten anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte in der Innenstadt von Kiew gegen das geplante Gesetz, das "Homo-Propaganda" verbietet.

Foto: EPA/SERGEY DOLZHENKO

Kiew, Anfang Oktober: Die Verkhovna Rada, wie das ukrainische Parlament heißt, bringt das Gesetz Nummer 8711 auf den Weg, demzufolge die "Propaganda" von Homosexualität mit Geldstrafen von bis zu 500 Euro sowie Haftstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft wird. Den Gesetzesentwurf, der in erster Lesung gebilligt wurde, unterstützen 289 von 450 ParlamentarierInnen - mit nur einer Enthaltung und null Gegenstimmen.

Für die "nationale Sicherheit"

Die Bezeichnung "Propaganda für Homosexualität" wird zwar im Entwurf selbst nicht weiter definiert - den AutorInnen des Gesetzes zufolge stelle die Verbreitung von Homosexualität wegen ihres angeblichen Zusammenhangs mit der Ausbreitung von HIV/AIDS aber eine Gefahr für die nationale Sicherheit dar. Sie zerstöre das Institut der Familie und führe zu einer demografischen Krise, wie die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti berichtet.

"Die ukrainischen Medien stellen Bedingungen zur Verbreitung einer AIDS-Epidemie in der Ukraine her, indem sie äußerste Formen der sexuellen Ausschweifungen propagandieren. Um diesen gefährlichen Prozess aufzuhalten, müssen entsprechende Gesetzesnormen ausgearbeitet werden, die den ukrainischen Massenmedien verbieten, Propaganda für gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen zu machen", wird eine Erklärungsnotiz zum Gesetzesentwurf zitiert. 

Das Gesetz wurde derart kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt, dass ukrainische LGBT-AktivistInnen (LGBT: "Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender") keine Zeit hatten, dagegen mobil zu machen. Sowohl AnhängerInnen der Regierung als auch der Opposition stimmten für den Entwurf. Von der internationalen Kritik, unter anderem von Menschenrechtsorganisationen, der UNO und dem EU-Parlament, sowie den Protesten in sozialen Netzwerken wie etwa auf der Facebook-Seite "Stop 8711" zeigte sich die ukrainische Politik unbeeindruckt.

Vorbild Russland

Vorbild für die Gesetzesvorlage, die insbesondere eine Beschneidung der Presse- und Meinungsfreiheit darstellt und somit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, sind Bestimmungen in mehreren russischen Städten wie St. Petersburg oder Moskau und in Moldawien. Die ukrainische Gesetzesvorlage muss noch in zweiter Lesung bestätigt werden und benötigt die Unterschrift des Präsidenten, um in Kraft zu treten.

Insbesondere der steigende russische Einfluss habe die Situation für LGBT-Personen in der Ukraine verschlechtert, sagt auch der LGBT-Aktivist Stanislaw Mischtschenko in einem Interview mit dem schwul-lesbischen Magazin "queer.de". Nach den Parlamentswahlen vom 28. Oktober, bei der die "Partei der Regionen" um Staatspräsident Wiktor Janukowitsch als Siegerin hervorging, sehe die Lage im Land nicht besser aus: "Beispielsweise sagen laut Umfragen die Hälfte der Ukrainer, dass Schwule und Lesben nicht dieselben Rechte haben sollen wie der Rest der Bevölkerung. 2007 bejahte das nur ein Drittel. Wir beobachten außerdem mehr gewalttätige Übergriffe als noch vor ein paar Jahren."

Homophobie als wirtschaftliches Hindernis

Vor kurzem ließ die EU-Kommission verlauten, dass die ukrainische Gesetzesinitative 8711 den Zielen des geplanten Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine widerspreche. Stefan Füle, EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, äußerte Bedenken: "Die EU hat ihrer tiefen Enttäuschung und Besorgnis Ausdruck gegeben, dass das ukrainische Parlament zu einer erneuten Diskussion über den Gesetzesentwurf 8711 zurückgekehrt ist", wie es in einer Aussendung heißt. Dennoch hält Füle die Fertigung des Assoziationsabkommens bis 2013 für wahrscheinlich.

Menschenrechte in Bedrängnis

Wie gut LGBT-Rechte in einem Staat verankert und umgesetzt werden, ist immer auch ein Gradmesser für die allgemeine Menschenrechtssituation im Land. Erst am Donnerstag forderte das Europaparlament in Straßburg  in einer Resolution, das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine nur unter der Auflage zu unterzeichnen, dass internationale rechtsstaatliche und demokratische Standards einhalten werden.

Der Ukraine wurden in der Vergangenheit wiederholt demokratiepolitische Defizite bescheinigt: Bei den jüngsten Wahlen äußerte die ukranische Opposition massive Fälschungsvorwürfe, in fünf Wahlkreisen wurden die Ergebnisse für ungültig erklärt. Verlangt wurde von der Regierung in Kiew zudem, die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko und andere festgenommene OppositionspolitikerInnen freizulassen. (red, dieStandard.at, 14.12.2012)