Sie sind Symbole der gestalterischen Avantgarde, tragen aber nicht die Schrammen vergangener Tage: Reeditionen vereinen den Flair des Originals mit der Fertigungsqualität nach heutigen Maßstäben.

Viele der modernen Klassiker wurden von Architekten als Einrichtung für ein bestimmtes Gebäude konzipiert. Dass diese Ikonen aber auch anderswo Platz finden, zeigt das reiche Angebot an Reeditionen. Cassina zum Beispiel hat in diesem Jahr gleich mehrere Serien klassisch moderner Möbel als Reedition auf den Markt gebracht. Seinen hinterbeinlosen "Zig-Zag" entwarf der niederländische Architekt und Designer Gerrit Rietveld (1888-1964) in den 1930er-Jahren. Der Stuhl zählt zu den Ikonen der Moderne und ist jetzt auch farbig gebeizt in Blau, Gelb oder Rot erhältlich. Le Corbusier (1887-1965) entwarf 1928 gemeinsam mit Pierre Jeannet and Charlotte Perriand den Sessel LC2 für die von ihm geplante Villa Church in Ville d'Avray nahe Paris. In Zusammenarbeit mit der Le Corbusier Foundation und Perriands Tochter hat Cassina das Sitzmöbel jetzt in einer neuen Version mit Kissenhüllen aus Canvas aufgelegt. In den 1950er-Jahren arbeitete Charlotte Perriand (1903-1999) an den Regalen und Sideboards ihrer "Nuage"- Linie. Die Formensprache der geometrischen Staumöbel ist inspiriert von fernöstlicher Baukunst, die Perriand während eines Japan-Aufenthaltes in den 1940er-Jahren kennenlernte. Nuage zeichnet sich durch asymmetrische Silhouetten aus, die genügend Raum für Plastiken oder Bilder an der Wand lassen sollten.

Asiatische Einflüsse

Auch das Werk von Eileen Gray (1878-1976) ist von asiatischen Einflüssen geprägt. Die in Paris lebende irische Designerin war fasziniert von der Schönheit traditioneller Lackarbeiten, ein Japaner lehrte sie das jahrhundertealte Handwerk. Sie nutzte diese Kenntnisse unter anderem für die Gestaltung ihres Paravents "Brick Screen", den sie zwischen 1922 und 1925 in unterschiedlichen Größen und Varianten herstellte. Classicon legt den skulpturalen Raumteiler erstmals als Sammlerstück in limitierter Anzahl auf.

Möbel- und Architekturserien aus vorgefertigten Elementen realisierte der Franzose Jean Prouvé (1901-1984). Sein "Fauteuil de Salon" aus dem Jahr 1939 kombiniert einfache Flächen zu einem architektonischen Ganzen mit bequemer Sitzfläche und Lehne. In Prouvés Archiv wiederentdeckt, wurde der Sessel von Vitra zusammen mit Tochter Cathérine und dem niederländischen Modelabel G-Star frisch überarbeitet. Er ist Teil der Prouvé-RAW-Spezialedition, zu der zehn weitere Sitzgelegenheiten, Tische und Regale mit der Handschrift des Konstrukteurs gehören.

Intelligente Materialausnutzung

Ab 1925 entwickelte Ferdinand Kramer (1898-1985) sachliche Möbel für Siedlungsbauten des "Neuen Frankfurt". 1937 emigrierte der Architekt in die USA und blieb dort bis 1952. Während dieser Zeit entstanden seine "Knock-Down-Möbel", die der Käufer einfach zusammenbauen konnte. Wie Kramers frühe Entwürfe vereinen sie intelligente Materialausnutzung, Flexibilität und Kombinierbarkeit. In ihrer Farbigkeit wirken die Coffeetables "Calvert" und "Charlotte" aus dem Jahr 1951 geradezu fröhlich. Mit der Ferdinand-Kramer-Kollektion macht der Hersteller 15 originale Entwürfe aus verschiedenen Schaffensperioden - darunter auch Möbel, die er für die Universität Frankfurt entwarf - erstmals wieder zugänglich.

Unter dem Begriff "Pure Materials" reeditiert Thonet moderne Klassiker des Bauhaus-Meisters Marcel Breuer (1902-1981) in einer speziellen Ausführung. Die Freischwinger S 32 ohne und S 64 mit Armlehnen werden nun auch aus vernickeltem Stahlrohr, geöltem Holz und einem markanten vollnarbigen Leder produziert. Thonet spielt hier mit dem aktuellen "used look": Die Reeditionen erhalten durch gewollte Gebrauchsspuren einen Hauch von Vintage. Anders als verchromtes Stahlrohr bildet Nickel eine natürliche Patina durch Berührungen, dasselbe gilt für geöltes Holz. So hinterlässt der Nutzer auf diesen Möbelinterpretationen ganz individuelle Spuren.

Nummerierte Serie

Zum ersten Mal seriell gefertigt werden die Kommode "Dinah" des Japaners Shiro Kuramata (1934-1991) sowie Sofa und Sessel für den Élysée-Palast von Pierre Paulin (1927-2009). Die Ideen dazu entstanden jeweils um 1970. Kuramatas schwarze Säule enthält 18 weiß lackierte Schubladen, die man nach beiden Seiten aus dem Korpus herausziehen kann. Produziert wird sie von Cappellini in einer nummerierten Serie. Die "Elysée"-Polstermöbel hat Paulin auf Anregung von Georges Pompidous Ehefrau Claude für die Privaträume des Präsidenten im Élyséepalast geschaffen. Form und Volumen sind originalgetreu, dank neuartiger Polstermaterialien und Schaumstoffe konnte Ligne Roset den Sitzkomfort verbessern. Wer sich also weder mit gebrauchten Möbeln umgeben möchte, noch bereit ist, hohe Auktionspreise zu zahlen, für den sind Reeditionen eine gute Wahl. (Heike Edelmann, Rondo, DER STANDARD, 14.12.2012)

Sessel "Zig-Zag" von Gerrit Rietveld

Foto: Hersteller

Sideboard aus der Serie "Nuage" von Charlotte Perriand

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Paravent "Brick" von Eileen Gray

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Beistelltisch "Calvert" von Ferdinand Kramer

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"Fauteuil de Salon" von Jean Prouvé

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Hochgewachsene Kommode "Dinah" von Shiro Kuramata

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Sofa aus der "Élysée"-Serie von Pierre Paulin

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Freischwinger "S 32" von Marcel Breuer

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"LC2" von Le Corbusier, Charlotte Perriand und Pierre Jeannet

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Beistelltisch "Charlotte" von Ferdinand Kramer

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Bücherregal aus der Serie "Nuage" von Charlotte Perriand

(Heike Edelmann, Rondo, DER STANDARD, 14.12.2012)

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