Wien - 17 Prozent der 14-Jährigen können in Mathematik weniger als die Bildungsstandards für die 8. Schulstufe vorsehen. Das besagt ein Ergebnis der ersten Tests der Bildungsstandards in diesem Fach. Werner Peschek, der mit seinem Team an der Uni Klagenfurt mehr als 400 der Testaufgaben erstellt hat, stellt diese Zahl allerdings in Frage: "Ich halte den Prozentsatz an Schülern, die über keine gesicherte und fundierte Basis in Mathematik verfügen, für viel höher. Relevanz und Wirksamkeit des Mathematikunterrichts sind klar verbesserungsfähig", sagt er. Auch die statistische Vorgehensweise des Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) kritisiert er.

Wo genau die österreichischen Schüler in Mathematik derzeit stehen, kann Peschek auf Basis der veröffentlichten Ergebnisse nicht sagen: "Man kann nur relative Aussagen machen, z.B. dass A besser ist als B, aber nicht, wie gut jemand ist." Um die tatsächliche Leistung der Schüler zu bewerten, müsse man den Anspruch der beim Test eingesetzten Aufgaben kennen.

Kritik an Kompetenzstufen

Die Art, wie die Schüler vom Bifie in vier Kompetenzstufen (von "Standards nicht erreicht" bis "Standards übertroffen") unterteilt wurden, kritisiert Peschek. "Die Festlegung der Grenzen ist relativ willkürlich und inhaltlich mehr als schwammig." Überhaupt halte er die Kompetenzstufen vor allem für ein Mittel, um für die Öffentlichkeit die Standards halbwegs plausibel und spektakulär darzustellen. Dass nicht alle Schüler die Standards erreichen, sei wiederum systembedingt. Denn: Würden alle Schüler die Standards erreichen, "macht das ganze Unternehmen keinen Sinn".

Pädagogikprofesser verteidigt Vorgehen

Pädagogikprofessor Helmut Fend von der Uni Konstanz, der im wissenschaftlichen Beirat für die Erstellung der Bildungsstandards sitzt, verteidigt die Festlegung von Kompetenzstufen, bei der sehr wohl auch inhaltliche Kriterien herangezogen würden - und dieses Modell entspreche dem internationalen Standard. Dennoch habe Peschek mit dem Vorwurf der statistischen Willkür "durchaus recht", was die festgelegten Grenzen angehe. Allerdings sei diese Einteilung ohnehin nicht das Relevante bei den Standards, sondern die Möglichkeit, gezielt Unterschiede zwischen Regionen und Schularten zu untersuchen. "Es soll gezielt Wissen entstehen, wo man eingreifen kann", so Fend.

Ergebnisse nicht wichtig

Auch für Peschek ist das eigentlich Wichtige an den Bildungsstandards nicht die Tests und deren Ergebnisse ("Die sind nur die Rute im Fenster der Schulen, damit sie sich anstrengen"), sondern die Schul- und Unterrichtsentwicklung. Und hier ortet der Mathematik-Didaktiker tatsächliche Verbesserungen, die er auch durch die Ergebnisse der Tests belegt sieht: Denn tendenziell sei das Ergebnis, dass sich die Leistung der Schüler im Vergleich zu 2009 im Schnitt um 35 Punkte verbessert hat, durchaus plausibel. Grund dafür sei - neben mehr Ernsthaftigkeit beim echten Test als bei den Ausgangstestungen - sicher, dass sich durch die Einführung der Bildungsstandards die Lehrer in den vergangenen drei Jahren intensiver um das Vermitteln entsprechender mathematischer Kompetenzen gekümmert hätten. "Es hat sich an den Schulen einiges bewegt, an den Hauptschulen vermutlich noch mehr als an den AHS, weil es für die Hauptschulen so etwas wie ein Zeugnis für die Wirkung des Unterrichts ist."

"Botschaft angekommen"

Aufgrund dessen, was er in den vergangenen Jahren in der Fortbildung für Mathematiklehrer gesehen habe, sei er optimistisch, dass die Leistungen der Schüler sich im Sinne der Standards noch weiter verbessern werden. Die Botschaft, dass der Mathematik-Unterricht mehr in Richtung von kommunikativen mathematischen Fähigkeiten wie Darstellen und Interpretieren gehen müsse, "ist in vielen Schulen angekommen. Ich glaube, dass an den Schulen mehr Positives passiert, als die Tests zeigen können". (APA, 13.12.2012)