Angegrauter sozialer Wohnbau, wie er sich in der schicken Fassade moderner Architektur spiegelt: Marlene Hauseggers Collage "Cleaning Jean Nouvel" (2012).

Foto: Projektraum Viktor Bucher

Wien - Es gibt Arbeiten von Marlene Hausegger, die man leicht übersehen könnte. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Künstlerin auf ihren Streifzügen durch die Stadt die Peripherie favorisiert. Zum anderen möchte sie ganz offensichtlich keine Denkmäler schaffen. Ganz im Sinne des situationistischen "détournement" könnte man ihre Arbeiten vielmehr als flüchtige Interventionen bezeichnen, die den öffentlichen Raum nur so lange umwidmen oder verkehren, bis sie - idealerweise - der Regen wieder wegschwemmt.

In ihrer aktuellen Präsentation gehört dazu auch der Schaum, mit dem sie das Jonasreindl bearbeitet hat: Die kleine, von Straßenbahnen umrundete Grünfläche am Schottenring ist Schauplatz eines Videos, in dem Hausegger sich das Reindl kurz angeeignet hat. Ausgerüstet mit einem Feuerlöscher sprüht die Künstlerin in Windeseile eine Spirale ins Gras, die an die berühmte Spiral Jetty von Robert Smithson angelehnt ist.

Während sich Hausegger hier ein reales Stück Freiheit herausnimmt und zudem die gebotenen städtischen Regeln kurz übertritt, hat sie die Kulisse der römischen Filmstadt Cinecittá zunächst nur abfotografiert: Auf einem der das Bild dominierenden Gerüste, ist das Wort "Pseudo" zu lesen, das typografisch an den Hollywoodschriftzug angelehnt ist.

In Wirklichkeit hat die Künstlerin die Buchstaben allerdings nur aus dem Bildraum geschnitten und anschließend derart nach unten geklappt, dass man dahinter tatsächlich diesen, die Stadt als Filmkulisse entlarvenden, realen Eingriff vermutet.

Mit Sein und Schein des Mediums Fotografie spielt die Künstlerin außerdem, wenn sie den Frachtenbahnhof im zweiten Wiener Gemeindebezirk zum Experimentierfeld abstrakter Kunst werden lässt. Oder in Bezug auf die moderne Wiener Architektur: Cleaning Jean Nouvel heißt etwa eine collagierte Fotografie, auf der man neben den Fassadenreinigern eigentlich nur jenen klobigen Gemeindebau sieht, der sich in der edlen Glasfassade des Nouvel-Towers spiegelt.

Im Vergleich zu diesen durchaus kritischen, aber eher subtilen " détournements" ist die Intervention vor dem Redaktionsgebäude der Zeitschrift Österreich dem Gegenstand entsprechend platt ausgefallen: Trotzdem hat man den riesigen Punschkrapfen auf einem Plakat drei Stunden lang übersehen. Erst dann hat man es - und den Thomas Bernhard zugeschriebenen Spruch Die Mentalität der Österreicher ist wie ein Punschkrapfen: Außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken - entfernt.    (Christa Benzer, DER STANDARD, 13.12.2012)