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Franz Welser-Möst zum Neujahrsereignis: "Nach dem Konzert werden alle wissen, dass die erste Note von Wagner, die in Wien erklungen ist, von der Johann-Strauß-Kapelle gespielt wurde."

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Standard: In Ihrer Festrede zum Jubiläum des Musikvereins haben Sie sich gegen Eventkultur ausgesprochen. Können Sie definieren, was Sie darunter verstehen?

Welser-Möst:  Event ist - und das wird jeder Kulturbegeisterte verstehen -, wenn es nicht mehr um die Kunst geht, sondern um etwas anderes. Das finde ich eine schlechte Entwicklung.

Standard:  Muss man da nicht zwischen Inhalt und Verpackung unterscheiden?

Welser-Möst:  Natürlich kommt man da sofort auf das Neujahrskonzert und sagt, das sei auch ein Event. Das ist nicht ganz falsch. Aber bei den Proben geht es nur darum, Stücken tatsächlich gerecht zu werden. "Leichte Unterhaltung" - unter Anführungszeichen, und das ist wichtig bei dem Begriff - kann auch große Kunst sein. Es geht wirklich um den Inhalt; wenn die Verpackung oder der Verkauf das Wichtigste ist, dann wird es schwierig.

Standard: Die Verpackung kann ja auch den Inhalt ruinieren.

Welser-Möst:  Auch das gibt's natürlich, aber es gibt auch Mogelpackungen. Aber meiner Erfahrung nach lässt sich ein Publikum langfristig nicht täuschen.

Standard:  Beim Neujahrskonzert 2013 werden Bezüge hergestellt, die man gerne übersieht - nämlich zwischen der Familie Strauß und Verdi wie Wagner.

Welser-Möst: In der Strauß-Familie waren nicht nur geniale Komponisten, sondern auch geniale Unternehmer. Nach dem Neujahrskonzert werden alle wissen, dass die erste Note von Wagner, die in Wien erklungen ist, von der Johann-Strauß-Kapelle gespielt wurde. Der hatte einen Riecher für Dinge, die populär werden könnten. Auch bei Verdi hat er mitbekommen, wie beliebt der werden würde, und hat ja einige Musik von ihm verarbeitet. Und dass Josef Strauß ein glühender Wagnerianer war, hört man vor allem in den Einleitungen.

Standard:  Um nochmals zu Ihrer Rede im Musikverein zurückzukommen: Das Gegenteil des Populären ist ja Musik, die von kleinen Kreisen gehört wird. Sie haben sich auch sehr skeptisch gegen die Neue Musik mit großem N geäußert. Wie haben Sie das genau gemeint?

Welser-Möst: Ich meine das, was schon 1910 kritisiert worden ist, nämlich dass die Musik angefangen hat, Emotion und Intellekt zu trennen. Ich habe mich nur gegen die Ausschließlichkeit gewandt, dass man sagt: Nur das, was wir so noch nicht gehört haben, ist das einzig Richtige. Dafür ist die Welt zu groß und zu bunt. Es gibt ja einige jüngere Komponisten, die sich darum nicht mehr so scheren und die die Vergangenheit nicht verleugnen.

Standard:  Gibt es das überhaupt noch, dass solche Ausschließlichkeit gepredigt wird? Ist es nicht eher so, dass viele mit diesem Argument Musik vom Tisch wischen, die zu avanciert oder angeblich zu anstrengend zu hören ist?

Welser-Möst:  Es ist ja so, dass ich mich in Cleveland mit einer sehr breiten Palette zeitgenössischer Musik auseinandersetze - von John Adams bis Johannes Maria Staud. Damit habe ich kein Problem. Aber ich finde nur, dass manche nach wie vor ein Problem damit haben. Ich sage ja auch nicht, dass ich die reine Lehre predige. Aber man muss auch die Möglichkeit haben, als Interpret oder Zuhörer zu sagen: Das gefällt mir nicht. Das hat ja auch mit Auseinandersetzung zu tun, und nur in der Auseinandersetzung bleibt etwas lebendig.

Standard:  Ihre Absage des Da-Ponte-Zyklus bei den Salzburger Festspielen hat zu einer öffentlichen Auseinandersetzung mit Intendant Alexander Pereira geführt. Hat für Sie tatsächlich die Beginnzeit einer Aufführung um elf Uhr den Ausschlag gegeben?

Welser-Möst:  Nein. Wenn Sie genau zugehört haben, wissen Sie, dass die Aufführungskonditionen so nicht mit mir abgesprochen waren. Was nun komischerweise übersehen wird, ist, dass ich da ja auf etwas verzichte. Der Da-Ponte-Zyklus war eine Herzensangelegenheit, für die ich gekämpft habe. Aber ich stehe da in einer musikalischen Verantwortung. Drei Vorstellungen innerhalb von weniger als fünf Tagen - ich habe aus der Vergangenheit gelernt!

Standard:  Pereira hat ins Treffen geführt, solche Serien seien auch an anderen Häusern üblich.

Welser-Möst:  Moment: Repertoiretheater gibt es zehn Monate im Jahr. Wenn es keinen Unterschied zu Festspielen geben soll, kann ich das nicht nachvollziehen.

Standard:  Aber wie ist es möglich, dass so entscheidende Dinge nicht vertraglich festgelegt sind?

Welser-Möst:  Ich habe keinen Vertrag. Ich hatte meine Bedingungen in vielen Sitzungen - die Protokolle habe ich zu Hause - von Anfang an klargemacht. Ich habe gesagt: Ein Mal kann man es machen, dass nur ein Tag zwischen zwei Aufführungen ist, aber sonst müssen zwei Tage Pause sein.

Standard:  Stimmt der Eindruck, dass Sie sich überfahren fühlen?

Welser-Möst: Ja. Es ist einfach gegen die Abmachungen. Alexander Pereira kennt mich lange genug, um zu wissen, dass ich keine Oper um elf Uhr dirigiere. Ich sehe es aber nicht so, dass wir uns auseinandergelebt haben, wie er das in seinem Statement meint. Ich dirigiere doch nicht in Salzburg wegen Herrn Pereira. Meine Entscheidung war eine professionelle, und ich möchte die Sache gern entpersonalisieren. Für mich ist das kein Konflikt mit ihm - ich mag ihn ja. Und es sind ja noch andere Projekte mit den Festspielen geplant.        (Daniel Ender, DER STANDARD, 13.12.2012)