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Ein neuer Schüler in der Klasse. Wir freuen uns, dass Hansi da ist.

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Du Andrea, du kriegst ein neues Kind.

Mein Kollege (ist neu an unserer Schule) schielt hinter den geöffneten Schubladen des Kastens hervor. Sein Augenverdrehen spricht Bände, er kennt den Knaben von früher. Wieder so ein Wanderpokal.
Der ausnahmsweise nicht Kevin oder Justin heißt, sondern Hansi, sagt mein Kollege. Mal was Neues, meint er. Und versucht, während er mir weitere durchaus brisante Details aus der schulischen Vorgeschichte des Knaben erzählt, seine Zettelchen in der richtigen Schublade abzulegen.

Am nächsten Tag kommt der Hansi. Hansi, der ganz harmlos aussieht. Hansi, der Humor hat, und gleich mal die ganze Klasse mit seinem Witzrepertoire begeistert. Und wenn Sie jetzt denken "Na, da kann ich mir schon vorstellen, was das für Witze sind", verweise ich auf die Weihnachtsferien - eine gute Gelegenheit, mal aufzuräumen. In den eigenen Schubladen.

Wir freuen uns, dass Hansi da ist. Er bringt uns zum Lachen. Immer kleine Späßchen mit im Gepäck, in seinem Schulrucksack. Und im Seitenfach verbirgt sich ein Schatz, ein Orden, den er bei Gelegenheit verleihen kann.

Die Zeit vergeht. Gut, lustig, witzig.

Nach zwei Wochen betritt mein Kollege die Klasse. "Na, wie geht's denn mit dem Hansi? Ich hab dir ja noch gar nicht alles von ihm erzählt. Stell dir vor, der hat mal..." Die Kids lauschen, ich unterbreche. Das gehört wirklich nicht hierher.

Eine halbe Stunde später lässt sich Hansi mitten im Unterricht mit dem Sessel zurückfallen, um wenig später einigen MitschülerInnen die Hefte und Bücher auf den Boden zu schleudern. Versteh ich irgendwie. Hätt ich auch nicht anders gemacht.

An diesem Tag hat Hansi zum ersten Mal seinen ganz persönlichen Orden verliehen: die goldenen Scheuklappen.

Und ich hab beschlossen, dass ich keinen Lehrertisch mehr brauche. Schon gar keinen mit Schubladen. (Andrea Vanek-Gullner, derStandard.at, 12.12.2012)