Rüsselsheim - Opel legt die Autoproduktion in Bochum wie erwartet 2016 still. Bis zu 3.000 Stellen könnten wegfallen, das Warenverteilzentrum mit derzeit 430 Beschäftigten soll aber erhalten und sogar ausgebaut werden, sagte Opel-Interimschef Thomas Sedran am Montag der Nachrichtenagentur dpa.

Spekulationen um Aus

Über ein Aus für den Standort wird schon seit längerem spekuliert. Für die Stadt Bochum wäre es ein weiterer Schlag: 2008 hatte der Handyhersteller Nokia seine Produktion hier eingestellt, rund 2.300 Menschen verloren ihren Job. Opel will die Produktionskapazitäten an die gesunkene Nachfrage anpassen. Die amerikanische Konzernmutter General Motors (GM) steht unter erheblichem Druck zu Kosteneinsparungen. Seit vielen Jahren schreibt das Unternehmen in Europa rote Zahlen.

Absatzkrise

Die Lage ist tatsächlich vertrackt: Fast alle Autohersteller in Europa stecken schwer in der Bredouille - nicht nur Opel. Die Absatzkrise legt die eklatanten Überkapazitäten in der Branche offen. Sparen, Werksschließungen und Neuordnung der Produktionsstandorte sind an der Tagesordnung. Ford Europe hatte bereits die Schließung von Werken in Belgien und Großbritannien angekündigt. Eine Studie der Beratungsgesellschaft PwC zufolge sind aktuell 15 Automobilwerke so schwach ausgelastet, dass die Hersteller sie in Frage stellen müssten. Die Kapazitäten dieser Werke würden auf mittlere Sicht höchstens zu 50 Prozent ausgelastet. Aber erst mit 75 Prozent werde die Gewinnschwelle erreicht.

Für Westeuropa erwartet der Verband der Automobilindustrie (VDA) in diesem Jahr einen Absatzrückgang von neun Prozent und im kommenden Jahr noch einmal um drei Prozent. Betroffen von dieser Entwicklung sind besonders PSA Peugeot-Citroen, Renault und Fiat, aber auch Ford und Opel gehören dazu. Es wächst der Druck, Überkapazitäten abzubauen, Arbeitsplätze zu streichen und Werke zu schließen.

GM will endlich wieder Gewinne schreiben

Opel werde künftig mit weniger Personal leben müssen, kündigte GM-Vizechef Steve Girsky im November an. Nach dem Zehn-Jahres-Plan "Drive Opel 2022" sollen die Fixkosten in diesem Jahr um 300 Mio. Dollar und bis 2015 um weitere 500 Mio. Dollar gesenkt werden. Bis dahin will GM in Europa endlich in die Gewinnzone fahren.

Opel hatte bereits im Juni angekündigt, Bochum eine Galgenfrist bis 2016 zu geben, wenn dort die Produktion des aktuellen Familienwagens Zafira auslaufen soll. Im Gegenzug sollten bis dahin für alle Opel-Standorte in Deutschland betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden.

Lager und Komponenten in Bochum

Girsky kündigte an, "eine signifikante Zahl" an Arbeitsplätzen im Lagerbereich und einer möglichen Komponentenfertigung in Bochum zu erhalten. Über einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2016 solle mit dem Betriebsrat verhandelt werden.

Die Arbeitnehmervertretung hatte die Belegschaft für Montag zu einer Betriebsversammlung eingeladen, um über die Pläne des Managements zu berichten. Reuters hatte bereits am Freitag berichtet, dass der Vorstand dort vermutlich das Aus für Bochum besiegeln werde. Derzeit sucht noch eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Unternehmens, der Arbeitnehmerbank und der Landesregierung nach Möglichkeiten, um auf dem Werksgelände in der strukturschwachen Region neue Arbeitsplätze anzusiedeln. Dabei wird auch diskutiert, Komponenten für andere Hersteller zu produzieren.

Experte sieht Fehler bei GM

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer wirft GM schwere strategische Fehler vor. Statt Bochum Ende 2016 zu schließen, hätte GM das englische Werk in Ellesmere Port dichtmachen sollen. In England wäre eine kurzfristige Schließung rechtlich möglich gewesen, sagte Dudenhöffer. Für die deutschen Werke gilt eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2014. Mit Ellesmere Port hätte GM wie Konkurrent Ford schon 2013/2014 spürbar Überkapazitäten abbauen können, sagte Dudenhöffer.

Ellesmere Port hatte Mitte 2012 den Zuschlag für die Astra-Produktion und damit eine dauerhafte Sicherung bekommen, nachdem die Mitarbeiter dort einer Lohnsenkung zugestimmt hatten. "Damit hat GM fünf Euro gewonnen, aber 500 Euro verloren", sagte Dudenhöffer.

Zweiter Fehler von GM sei es gewesen, die bevorstehende Schließung von Bochum so lange zu verheimlichen. "Das war schon über ein halbes Jahr bekannt, Opel hat sich nur nicht getraut, es zu sagen", kritisierte Dudenhöffer. Durch die ständigen Diskussionen seien Kunden und Mitarbeiter verunsichert und die Marke beschädigt worden.

Dudenhöffer: Keine Chance für Komponentenwerk

Die Pläne, Bochum als Teilewerk für den Opel-Konzern mit deutlich reduzierter Belegschaft weiterzuführen, hält Dudenhöffer für unrealistisch. "Ich glaube nicht an die Zukunft als Komponentenwerk." Der Standort Bochum liege etwas abseits, und auch die Komponentenfertigung der anderen Werke sei keineswegs ausgelastet. Bochum solle sich nicht noch einmal an "irgendwelche Hoffnungen klammern".

Die Stadt habe eine hervorragende Universität und einen modernen Gesundheitssektor. Ziel müsse es jetzt sein, rund um die Universität mittlere Unternehmen anzusiedeln. Dazu seien auch das Land und die Stadt gefordert, so Dudenhöffer. "Bochum kann sich weiterentwickeln - ohne Opel." (APA/Reuters, 10.12.2012)