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Freitag zur Mittagszeit: Der Tahrir-Platz in Kairo.

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Neue Proteste im Zentrum der Opposition.

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Die Nacht von Donnerstag auf Freitag in Kairo: Protestieren gegen Mursi.

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Mursi spricht im Fernsehen.

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Kairo - Die Opposition in Ägypten hat den von Präsident Mohammed Mursi angebotenen Dialog im Verfassungsstreit ausgeschlagen. Die "Nationale Heilsfront" erklärte am Freitag in Kairo, sie werde an dem für Samstag vorgeschlagenen Gespräch nicht teilnehmen, weil Mursi vollendete Tatsachen geschaffen habe. "Das ist die offizielle Position", sagte Ahmed Said, ein führender Politiker des wichtigsten Oppositionsbündnisses und Chef der liberalen Freien Ägyptischen Partei. Mursi hatte angesichts der jüngsten Gewalt die Vertreter von Opposition und Justiz zum Dialog über die politische Zukunft des Landes eingeladen.

Der Reformpolitiker Mohammed ElBaradei appellierte per Twitter an die Opposition, dem Gespräch fernzubleiben. "Ich rufe alle nationalen Kräfte auf, nicht an einem Dialog teilzunehmen, dem die Grundlage eines echten Dialogs fehlt", schrieb ElBaradei. "Wir sind für einen Dialog, der nicht auf Überredungskunst und dem Schaffen vollendeter Tatsachen beruht." Die liberale Wafd-Partei will einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur zufolge ebenfalls nicht teilnehmen. Sowohl ElBaradei als auch die Wafd gehören der Heilsfront an.

Mursi hält an Termin für Referendum fest

Trotz der jüngsten Proteste, bei denen sieben Menschen ums Leben kamen und hunderte weitere verletzt wurden, hielt Mursi am Termin für den im Eilverfahren durchgesetzten, islamistisch geprägten Verfassungsentwurf fest. Das Referendum soll trotz der Proteste am Samstag nächster Woche stattfinden.

Die ägyptische Opposition wollte auch am Freitag wieder gegen den Präsidenten demonstrieren. Auf dem Tahrir-Platz in Kairo trafen Aktivisten Freitag früh Vorbereitungen für eine Kundgebung, die unter dem Motto "Rote Karte" stehen soll. 

UNO: "Sehr besorgniserregende Auslassungen und Unklarheiten"

UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sieht eine Reihe von besorgniserregenden Elementen im Entwurf für die neue ägyptische Verfassung. Der Text verbiete zum Beispiel nicht ausdrücklich Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Religion und Herkunft, sagte Pillay am Freitag in Genf. Die Verfassung würde einige Menschenrechte garantieren, doch gebe es auch "einige sehr besorgniserregende Auslassungen und Unklarheiten", sagte sie. Teilweise seien die Schutzbestimmungen schwächer als in der alten Verfassung von 1971.

Pillay begrüßte in einer Medienmitteilung die Gesprächsbereitschaft von Präsident Mursi. Gleichzeitig bedauerte sie fehlende Fortschritte in Bezug auf die Verfassungsrevision. Die fehlende Beteiligung diverser Akteure am Prozess der Verfassungsänderung gebe Anlass zu ernsthafter Sorge. Dies sei einer der Hauptgründe für die katastrophale Entwicklung der Lage in Ägypten in den vergangenen zwei Wochen, wurde Pillay zitiert.

Mursi gibt Gegnern Schuld an Gewalt

In seiner TV-Rede hatte Mursi den Gegnern der Islamisten die Schuld an der Gewalt gegeben und seine Machtpolitik verteidigt. Der Islamist, der im Juni als Kandidat der Muslimbrüder zum Präsidenten gewählt worden war, sagte, die Mehrheit der Ägypter, die ihm ihre Stimme gegeben hätten, müsse nun über die Zukunft des Landes entscheiden. "Ist das nicht Demokratie?", fragte er.

Die liberalen und linken Parteien verlangen eine Überarbeitung des von den Islamisten formulierten Entwurfs für eine neue Verfassung. Außerdem bestehen sie auf einer Verschiebung der Volksabstimmung über die Verfassung, die für den 15. Dezember geplant ist. Mursi lehnt das ab. Sollte die Mehrheit der Bürger gegen den Entwurf stimmen, sei er aber bereit, eine neue Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, fügte er hinzu.

Auch an der umstrittenen Verfassungserklärung, mit der er seine Machtbefugnisse im November erheblich ausgeweitet hatte, hielt Mursi fest. Lediglich auf Artikel VI der Erklärung sei er bereit zu verzichten, sagte der Präsident. Dieser Artikel hätte es Mursi erlaubt, ohne Rücksprache "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Revolution, die Einheit und die nationale Sicherheit zu wahren".

Mursi spricht von "bezahlten Schlägern"

Der Präsident sagte, einige der bewaffneten Gewalttäter, die von der Polizei nach den Straßenschlachten festgenommen worden seien, hätten Kontakte zu sogenannten "politischen Kräften" gehabt. Unter den Festgenommenen seien auch "bezahlte Schläger". Diese seien von Anhängern des alten Regimes des gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak angeheuert worden. Auch ausländische Mächte seien hinter den Kulissen aktiv, warnte er.

Mursi betonte, er beschuldige nicht alle Oppositionellen, die Kritik an dem Verfassungsentwurf der Islamisten geübt hatten. "Dies ist freie Meinungsäußerung, das ist normal, da müssen wir differenzieren", fügte er hinzu.

Von der Opposition wurde Mursis Rede mit Entsetzen und Spott aufgenommen. Einige Revolutionsaktivisten verglichen seine Rhetorik mit der seines Vorgängers Hosni Mubarak. Auch Mubarak hatte bei Kritik an seiner Amtsführung stets die Angst vor einer ausländischen Verschwörung geschürt.

Unterdessen hat die erste Oppositionsgruppe das Dialogangebot Mursis zurückgewiesen: Auf ihrer Facebookseite erklärte die "Bewegung des 6. Aprils", die bereits im Widerstand gegen Mubarak eine wichtige Rolle gespielt hatte, sie werde nicht mit Mursi sprechen. Stattdessen werde sie am Freitag an weiteren Protesten gegen Mursi teilnehmen.

Hauptquartier der Muslimbruderschaft angeblich  in Flammen

Das Hauptquartier der islamistischen Muslimbruderschaft in der ägyptischen Hauptstadt Kairo ist Donnerstagabend von Demonstranten angezündet worden. Dies verkündete die Partei der Muslimbruderschaft "Freiheit und Gerechtigkeit" auf ihrer Facebookseite und sprach von "terroristischer Aggression" durch Verbrecher. Die staatliche Nachrichtenagentur MENA berichtete von einem Feuer in einem Büro der Muslimbrüder im südlich von Kairo gelegenen Vorort Maadi sowie einem Einbruch in einem Büro in der Nähe des Stadtzentrums.

Obama beunruhigt über Gewalt in Ägypten

US-Präsident Barack Obama hat sich gegenüber dem ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi in einem Telefongespräch am Donnerstag "ernsthaft beunruhigt" über den Tod und die Verwundung von Demonstranten gezeigt. Obama habe betont, dass die Pflicht ägyptischer Politiker sei, ihren Anhängern klar zu machen, dass Gewalt "unakzeptabel" sei, hieß es aus dem Weißen Haus.

Der US-Präsident habe sich erfreut über Mursis Dialogangebot an die Opposition gezeigt und diese dazu aufgerufen davon Gebrauch zu machen. Allerdings dürfe es von beiden Seiten keine Vorbedingungen geben, hieß es weiter. (APA/Reuters, 07.12.2012)