In Italien akquiriert und vom Dorotheum für 49.100 Euro an "Anonym" vermittelt: ein bunter Bronze-Bacchus (1996) von Arman.

Foto: Dorotheum

Der lokale Kunstmarkt in Italien steht mehr oder minder vor dem Zusammenbruch. Davon zeugen auch die jüngeren Auktionsbilanzen, etwa jene von Sotheby's in Mailand (27.-28. 11.). Lucio Fontanas Concetto Spaziale, ein auf 500.000 bis 700.000 Euro taxiertes Ölbild mit Sand und Glitter aus dem Jahr 1956, war nicht das einzige Highlight, das vergangene Woche unverkauft blieb. Mit 58,5 Prozent blieb die Verkaufsquote deutlich unter den Vergleichswerten der Vorjahre, und gegenüber 2011 schrumpfte der Umsatz um die Hälfte auf 5,35 Millionen Euro.

Kontrahent Christie's hatte wiederum im Oktober die Notbremse gezogen: Die für November anberaumte Versteigerung wurde abgesagt, und das operative Engagement in Italien wird künftig auf nur eine Auktion jährlich reduziert. Das sei, lässt ein Christie's-Sprecher durchblicken, eben effizienter: einerseits, weil die rigorosen Exportbestimmungen in keinem Verhältnis zum Aufwand stünden, und andererseits, weil man über die in London stattfindenden Italian Sales (im Oktober) ohnedies die Bedürfnisse des internationalen Marktes abdecke.

Steuerfahnder prüfen Galerien

2011 wechselte bei Sotheby's und Christie's Kunst der Klassischen Moderne und Zeitgenössisches noch zum Gegenwert von rund 16 Millionen Euro in Italien den Besitzer. Die Frühjahrs-Auktionen in Mailand verliefen ganz passabel, die November-Veranstaltung jedoch gilt als veritabler Reinfall. "Während der italienische Markt bereits in den vergangenen Jahren wenig zählte, ist er jetzt voll zusammengebrochen", resümierte Experte Paolo Manazza jüngst im Mailänder Corriere della Sera . 2007 hatten die beiden Giganten noch mehr als 30 Auktionen in Italien veranstaltet, nun sind es nur noch drei, und ein Rückzug aus dem operativen Geschäft vermutlich nur noch eine Frage der Zeit.

Mittelfristig, munkelt man in Mailänder Kunstkreisen, werden sich Christie's und Sotheby's wohl nur noch auf den Einkauf konzentrieren. " Die Kapitäne verlassen das sinkende Schiff", meint auch Stefano Baia Curioni.

Der Professor an der Mailänder Elite-Universität Bocconi sieht darin auch den Beleg einer Trendwende auf dem italienischen Markt: "Die Käufer wollen nicht mehr als Kunstsammler erkannt werden. Dies hat offensichtlich auch mit dem Fiskus zu tun", sagt er und verweist auf die von Regierungschef Mario Monti eingeführten Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerflucht. Die Kontrollen der Fahnder hätten ja nicht nur in Luxusskiorten, Diskotheken oder Yachthäfen, sondern auch in Kunstgalerien stattgefunden.

Italien-Boom in Österreich

Die Anti-Steuerflucht-Bestimmung, die nur noch Barzahlungen bis zu 1000 Euro erlaubt, hätte die Situation in der Auktionsbranche laut Baia Curioni noch drastisch verschärft. Denn die Beträge über dieser 1000-Euro-Grenze müssen mittels Überweisung bezahlt werden. Und wer will schon seine Bankdaten bekanntgeben? In London können Sammler hingegen in Pfund bezahlen oder auf Überweisungen von Auslandsbanken zurückgreifen, erklärt Baia Curioni. Letzteres treffe auch für Wien zu.

Das Dorotheum erlebt derzeit jedenfalls einen Boom, sowohl punkto Akquisition als auch an Zuwachs an italienischen Kunden. Rund 80 Prozent der in Wien versteigerten Ware, bezifferte Geschäftsführer Martin Böhm jüngst in einem Interview, käme aus dem Ausland. Ein "guter Teil" dessen stamme aus Italien, bestätigt Angelica Cicogna-Mazzoni. Wie viel Prozent genau? Der Anteil liege eher bei 50 als bei fünf Prozent, präzisiert die Leiterin der Dorotheums-Niederlassung in Mailand.

Diesen Aufschwung der Geschäftsbeziehungen zwischen Italien und Österreich bestätigt auch der in Mailand ansässige Handelsdelegierte: Bei Kunstimporten liegt der offizielle Wert bei 2,6 Millionen Euro (plus 83 Prozent gegenüber 2010) und damit deutlich unter den Exporten. "Im vergangenen Jahr haben sich die Ausfuhren von Sammlerobjekten, Antiquitäten, Gemälden und Zeichnungen von Italien nach Österreich mit einer Steigerung von 93 Prozent auf 14,3 Millionen Euro nahezu verdoppelt", so Michael Berger. Dieser Zuwachs, erklärt er, spiegle sich in den Dorotheums-Katalogen eindrucksvoll.

Am Beispiel des jüngsten Angebots der Sparte Zeitgenössisches (29. 11.) ermittelte der Standard rund 70 über die Dorotheums-Repräsentanzen in Italien akquirierte Kunstwerke. Und das sind nur jene Exponate, die laut den Provenienzangaben aus italienischen Privatsammlungen stammen. Das Schätzwertvolumen dieser Fraktion belief sich auf 1,5 bis 2,5 Millionen Euro. 65 Prozent wechselten dann zum Gegenwert von 1,33 Millionen Euro den Besitzer - dies entspricht einen aktuellen Umsatzanteil von 28 Prozent.

Indessen schrumpfte die lokale Auktionsbranche deutlich. Nach dem Finarte-Konkurs 2011 ist gerade noch eine Handvoll aktiv. Farsettiarte gilt dabei als Numero uno, auch wenn die Kunstversteigerungen des ehemaligen Finarte- Gründers Porro an Boden gewinnen. Von der Krise sind natürlich auch die Kunstmessen betroffen, die zuletzt viel an Elan verloren.

"Messen hatten hier nie eine große Bedeutung, sie waren seit je wenig liquide, es handelte sich vielmehr um Marketinginstrumente der Galerien" , kommentierte Baia Curioni die Entwicklung. Heute seien nur noch zwei Messen von gewisser Bedeutung, die kürzlich zu Ende gegangene Artissima in Turin (9.-11. November 2012), die primär Kreatives zeigte, und Artefiera in Bologna (25. bis 28. 1. 2013), deren Fokus auf dem Kommerziellen liegt. (Thesy Kness-Bastaroli und Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 7./8./9.12.2012)