Montagnacht in Washington: Die Redskins stoppen die Giants und der Titelkampf in der NFC East ist wieder eröffnet.

Foto: Phil Ellsworth/ESPN Media

Mach den Tiger für die Sieger. Die Bengals halten in der AFC Schritt und bedrängen die Steelers um eine Wildcard. Einen Strich durch die Rechnung könnte ihnen noch jene Mannschaft machen, deren Fans sich beim Krallen-Posing hier dezent im Hintergrund halten.

Foto: Phil Ellsworth/ESPN Media

Javon Belcher, Linebacker der Kansas City Chiefs, tötete vergangenen Samstagmorgen seine Lebensgefährtin Kasandra Perkins mit mehren Schüssen in den Bauch, in die Brust und ins Genick. Im Anschluss fuhr er zur Trainingsanlage ins Arrowhead Stadion, bedankte sich dort noch bei Chiefs General Manager Scott Pioli und Headcoach Romeo Crennel, bevor er mit den Worten „Ich muss gehen, ich kann nicht hier sein" die Waffe gegen sich selbst richtete.

Eine Wahnsinnstat, die alle möglichen Reaktionen hervorgerufen hat.

Mittlerweile ist bekannt, dass Belcher unter starken Depressionen litt, Medikamente nahm und alkoholkrank war. Nach dem Spiel gegen Cincinnati (18. November), klagte er über Gedächtnisverlust und darüber, dass er nicht mehr wisse, weshalb und worüber er mit seiner Freundin gestritten habe, die vorzeitig abgereist war, wie das Online Portal Deadspin berichtete. Sports Illustrated weiß, dass es auch am Vorabend der Tat zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen sein soll.

Es wird vermutet, dass Belcher unter chronisch traumatischer Enzephalopathie (CTE) litt, einer degenerativen Schädigung des Gehirns, die u.a. durch wiederholte Schläge gegen den Kopf hervorgerufen werden kann. Tatsächlich nachgewiesen ist das bei Belcher (noch) nicht. Seit 2011 haben sich insgesamt sechs (ehemalige) NFL-Spieler das Leben genommen. Dave Duerson, Ray Easterling, Junior Seau, Kurt Crain, OJ Murdock und Javon Belcher. Zumindest bei Duerson und Easterling konnte CTE nachgewiesen werden. Die seither ständig geführte Debatte über Gehirnerschütterungen in der NFL führte zu einer Verschärfung der Regeln. Die Frage nach dem Nutzen ist noch offen. Es wird wohl mehr brauchen, als die paar Tausender Strafe gegen bekannte „Ausknipser" der Liga, nämlich ein generelles Umdenken. Was will der Zuschauer vom Sport und wie viel davon kann man ihm auch liefern, ohne die Spieler zu Probanden einer Mission ohne Rückkehr zu machen?

Ganz wichtig dabei wird auch sein, ein reales Bewusstsein für die Problematik zu schaffen, denn so richtig gefährlich ist die Sache auch deshalb geworden, weil die Akteure aus Angst um ihren Job diese Verletzungen verheimlichen. Hat ein Spieler offensichtlich eine Gehirnerschütterung erlitten, folgen Untersuchungen und eine Behandlung. Der Betroffene ist vorerst mal raus, ob er das will oder nicht. Erleidet er sie aber unbemerkt, was offenbar öfter passiert, als der NFL lieb sein kann, spielt er dann, als wäre nichts gewesen, weiter und bekommt auf seine alte Concussion womöglich noch eine zweite, dritte drauf. Dann ist das eigentlich der direkte Weg Richtung CTE.

Spätfolgen und Gefahren

So gesehen war die Sperre der Saints Coaches- und Spieler nach dem Kopfgeld-Skandal ein Schritt in die richtige Richtung und ein guter Anfang. Jedes x-fach auf facebook gepostete Youtube-Video mit den „hardest hits to the head" ist damit gleichzeitig auch als grober Unfug enttarnt, denn hier wird nicht „hart" gespielt, sondern meist auch gegen die Regeln und - was noch viel wichtiger ist - es werden „Zombies" und (Selbst)mörder erschaffen. Vor allem Nachwuchsspieler, die das mit einer extrem coolen Sache verwechseln, sei die Frage gestellt, ob sie mit 25 ein normales Leben führen wollen, oder einen möglichst frühen Abgang à la Belcher bevorzugen. Dahingehend muss es auch immer erlaubt sein, dass man die bereits sehr strengen Regeln in Österreich, wo der Sport noch dazu als reines Hobby ausgeübt wird, jederzeit einer Evaluierung hinsichtlich ihrer Aktualität unterziehen darf.

Mögliche Spätfolgen stellen auch eine massive Gefahr für den Sport selbst dar. Man wird sie, wie in vielen anderen Sportarten auch, nicht gänzlich eliminieren können, man kann aber das Regulativ zur Sicherheit der Spieler anpassen und Spinner davon abhalten, überhaupt zu partizipieren.

Bloggerin Jamie Stiehm meint, dass man unter Medizinern heute schon wisse, dass es in 15 Jahren keinen Profi-Football mehr geben wird. Zumindest nicht mehr diesen in der heutigen Form. Mit der Auffassung steht sie nicht alleine da. Sind Eltern erstmal sensibilisiert, dann könnte der Zustrom schnell austrocknen. Das wäre der intellektuelle Tod des Sports, wenn ihn nur mehr jene Menschen bereit sind auszuüben, die auch verzweifelt genug sind, für Geld alles, was sie haben, zu riskieren.

Daher muss die Sicherheit und die Gesundheit der Spieler immer an erster Stelle des gesamten Plans stehen.

Ansonsten lief im Windschatten dieses traurigen Ereignisses einiges ab, was für die USA typisch ist. Bob Costas ging in der Halbzeitpause des Sunday Night Games auf die Tat ein und betrachtete sie aus dem Blickwinkel der Waffenkultur in den Staaten. Das stimulierte natürlich die Reflexe des Heimatschutz-Lagers, für die „Gun Control" mit Zwangskastration gleichgestellt ist. Senil-Rechts-Rocker Ted Nugent, der in den vergangenen Jahren zum Hofkapellmeister der NRA avancierte, bewies einmal mehr, dass man sich nicht nur mit einer Schusswaffe, sondern auch mit einer Gibson Byrdland das Hirn aus dem Schädel blasen kann, wenn man sie an eine Armada von Fender 75-Amps hängt. Vielleicht haben seine Kameraden im Geiste doch Recht und der Teufel hat den Rock 'n' Roll gebracht.

Die Karawane zieht weiter

Gespielt wurde trotzdem, weil die Show ja weiter gehen muss. Die Chiefs fuhren gegen Carolina ihren zweiten Saisonsieg ein. Es ging sportlich für keinen der beiden mehr um viel, so gesehen war es für Kansas City eine Art Schmerztherapie, die das Angebot einer Verschiebung von sich aus abgelehnt haben. Auch gab es am Wochenende keine Trauerminute für Belcher, sondern eine allgemeine Andacht für Opfer von häuslicher Gewalt. Belcher war übrigens Mitglied einer Stiftung, die sich gegen Gewalt durch männliche Athleten stellt.

Kansas City ist bereits aus dem Playoffrennen eliminiert, ebenso kennen Jacksonville und Oakland bereits ihren allerletzten Spieltermin für heuer. Am Papier sind viele AFC-Teams „still alive, wie schon in der Vorwoche erwähnt, ist ihr Status aber mehr eine Frage der Zeit als der Möglichkeiten. Denver schlug Tampa und holte sich die Division West, New England tat das selbe mit Miami und der East, Houston machte gegen Tennessee den Süden klar und der Norden wird, auch wenn sie ihr Rückspiel gegen Pittsburgh verloren haben, am Ende Baltimore gehören.

Pittsburgh und Cincinnati im Clinch

Bleiben noch die Wildcards und auch hier gab es für die Verfolger ganz schlechte Nachrichten. Indianapolis schlug bei auslaufender Uhr mit einem Luck-Punch Detroit, womit sie jetzt bereits bei 8-4 stehen und dabei noch je ein Spiel gegen die maroden Titans und Chiefs vor sich haben. Dazu kommen Spiele gegen die Texans, wovon zumindest das zweite für Houston zu Jahresende als regenerativer Abschreibposten verbucht werden könnte, da die Perfect Season weg und der Nummer 1 Seed womöglich bereits gesichert ist. Meine, wie ich finde, gar nicht so gewagte Prognose: Indy geht 10-6. Sollten die Texans am 30. Dezember Yates & Co einsetzen, dann winkt sogar ein 11-5. Und das nach einem 2-14 im Vorjahr.

Das wirklich offene Rennen in der AFC findet zwischen Pittsburgh und Cincinnati statt. Die Steelers brachten mit Oldie Charlie Batch als Spielmacher den Ravens eine einigermaßen überraschende Niederlage bei, war es denn auch die erste gegen die Steelers in der Ära Ben Roethlisberger, wenn dieser nicht gegen sie spielen konnte. Der Sieg brachte die Steelers auf 7-5 und war deshalb so unheimlich wichtig, weil die Bengals weiter die Spur halten. Gegen die Raiders feierten sie den dritten Sieg in Folge und das Restprogramm klingt mal vielversprechend. Dallas ist in ihrer Schlagweite, Philadelphia ist das für jeden und womöglich klingen die Glocken in Ohio am 23. Dezember besonders hell, kommt es dann zum Rückspiel in Pittsburgh. Aus der Perspektive der Steelers schaut die Sache allerdings auch nicht wirklich schlimm aus, denn die Bengals sind bereits der am Papier schwerste Gegner auf den sie noch treffen werden. San Diego, Dallas und Cleveland hören sich zumindest nach einem 2-1 an. Meine gewagte Prognose an der Stelle: Pittsburgh verliert zwar gegen Cincinnati, erreicht das Playoff aber mit Hilfe der Ravens, die in der letzten Runde die Bengals schlagen.

Bevor sich wer beschwert (er hat Miami ja gar nicht erwähnt!) hier bitte: die NY Jets, Buffalo, Miami, Cleveland, San Diego und Tennessee werden die Post Season im TV miterleben. Wobei die Jets (5-7) zwar ein kinderleichtes Programm vor sich haben (@JAC, @TEN, SD, @BUF), allerdings selbst auch ein solches sind. Vielleicht folgt nun dann aber noch die große Greg McElroy-Show, jetzt, wo Sanchez neben Tebow auf der Bank hockt, was sich sogleich in einem „beeindruckenden" 7:6 über die Cardinals manifestierte und straft mich Lügen.

Wiederöffnung nach Renovierung: Die NFC East

„...so gesehen räume ich am ehesten Washington Chancen ein, den Giants den Divisionstitel noch wegzuschnappen..."

Glaubte ich in der Vorwoche, glaube ich diese Woche umso mehr. Es bedurfte zwar einer ordentlichen Portion Glück - wenn ein Fumble von RG3 zum Touchdown wird, ist das für manche auch Fügung - die Redskins eröffneten mit einem Sieg im Monday Night Game über die Giants jedenfalls den Titelkampf in der NFC East wieder und nahmen damit auch (kaum zu glauben) die, sich in einer soliden Schräglage befindlichen, Dallas Cowboys mit auf die Reise. Die NFC East präsentiert sich einmal mehr als beständiger Unsicherheitsfaktor und Gump'sche Pralinenschachtel.

Die Cowboys haben ihre Pflicht mal erledigt. Auch wenn das 38:31 gegen Philly ein wenig mühsam aussah, bleibt ein Sieg ein Sieg. Jetzt wird es bei der Kür mit Cincinnati, Pittsburgh, New Orleans und Washington allerdings gleich vier Mal schwieriger. Man(n) wächst ja bekanntlich mit der Aufgabe, die Frage ist, ob das auch für Romo und die gerne mal chaotische Dallas Offense gilt, die mit Runningback DeMarco Murray ihren wohl gefährlichsten Mann aus der Rekonvaleszenz zurück bekam.

Washington hat mit Baltimore die schwerste Aufgabe am kommenden Sonntag bereits vor sich. Es folgen Cleveland und Philadelphia, gegen die man sicher nicht ausrutschen darf, am Ende empfangen sie die Boys in der Hauptstadt, welche dort bekanntlich besonders beliebt. Ob es in dem Spiel dann noch um etwas geht, das hängt u.a. auch von den Giants ab. Auf die kommt in Form der Saints, Falcons und Ravens in den kommenden drei Wochen viel Ungemach zu, vergleicht man das mit dem vermeintlich einfacheren Spielplan Washingtons.

Wackelkandidaten auf der Wildcard

In der NFC ist erst eine Division vergeben (South -> Atlanta), eine in halbwegs sicher scheinender Hand (West ->San Francisco) und zwei die noch komplett offen sind. Noch heißer umkämpft als der Osten ist der Norden. Green Bay und Chicago (beide 8-4) tauschen dort wöchentlich Plätze, derzeit sind die Bears am Wildcard-Hot Seat, denen im eigenen Haus Seattle über war. Die Seahawks sind damit ein ganz heißer Kandidat, spielen sie u.a. noch Arizona, Buffalo und St. Louis. Da aber der Division Record auch ein Mitspracherecht hat - 0-3 gegen Arizona, St. Louis und San Francisco - dürfen zumindest leichte Zweifel an der tatsächlichen Stärke Seattles angemeldet werden. Auch das Vertrauen in die 6-6 Teams Tampa (weil noch NO und ATL auswärts) und Minnesota (weil noch CHI, @HOU und GB) ist enden wollend, da das alles auf ein 8-8 hinaus läuft.

Nur wer macht dann das Rennen? Im Falle der NFC habe ich, im Gegensatz zur AFC, derzeit keine konkrete Vorahnung, denn sogar New Orleans ist es noch zuzutrauen, mit vier Siegen in Folge von hinten noch eine Wildcard zu ergattern.

Saints in New Jersey vs. Miami in der Bay

Der Nebel könnte sich am Sonntag, zumindest was New Orleans betrifft, schon lichten. Die Saints spielen bei den Giants im Met Life und stehen nach zwei Niederlagen in Folge unter Siegzwang. Die Partie zeigt ihnen PULS 4 ab 22:30 Live. Michael Eschlböck und meiner einer freuen sich auf eine Overtime mit Ansage. ESPN America zeigt interessanter Weise zu jener Zeit das Spiel der Dolphins bei den 49ers, womit zumindest sie die Bedürfnisse aller Liebhaber im Meer lebender Säuger stillen. Die TV-Woche startet bei ESPNA aber bereits am Donnerstag (2:20 Uhr), wobei auch das Matchup Oakland vs. Denver nicht mehr allzu viel hergibt. Weit besser in Form ist der restliche Sonntag, denn ab 19:00 Uhr spielt Baltimore in Washington und Sonntagnacht (Montagmorgen 2:20 Uhr) empfangen die Packers die Lions. Der designierte Schlager der Runde ist aber eindeutig das Monday Night Game (Dienstagmorgen 2:30 Uhr), wenn die Patriots im Gillette die Texans empfangen. Das muss ein müdes Dienstagauge eigentlich aushalten. Viel Spaß dabei! (Walter Reiterer; derStandard.at; 6.12.2012)

NFL Woche 13

Atlanta Falcons vs. New Orleans Saints 23:13
New York Jets vs. Arizona Cardinals 7:6
Kansas City Chiefs vs. Carolina Panthers 27:21
St. Louis Rams vs. San Francisco 49ers 16:13 n.V.
Miami Dolphins vs. New England Patriots 16:23
Buffalo Bills vs. Jacksonville Jaguars 34:18
Tennessee Titans vs. Houston Texans 10:24
Detroit Lions vs. Indianapolis Colts 33:35
Green Bay Packers vs. Minnesota Vikings 23:14
Chicago Bears vs. Seattle Seahawks 17:23 n.V.
Denver Broncos vs. Tampa Bay Buccaneers 31:23
Oakland Raiders vs. Cleveland Browns 17:20
Baltimore Ravens vs. Pittsburgh Steelers 20:23
San Diego Chargers vs. Cincinnati Bengals 13:20
Dallas Cowboys vs. Philadelphia Eagles 38:33
Washington Redskins vs. New York Giants 17:16

Tabellen der Conferences
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