Martin Bartenstein: "Korruption ist absolut wachstumsfeindlich, standortschädlich und gehört energisch bekämpft."

Foto: Hermann Sussitz

In Kürze tritt Martin Bartenstein nach fast zwei Jahrzehnten von der politischen Bühne ab. Im Gespräch mit derStandard.at zieht der Ex-Minister und ÖVP-Verkehrssprecher Bilanz: warum Schwarz-Blau dem Land gut getan hat, die Korruption in Österreich wenig Platz hat, was Wolfgang Schüssel von Werner Faymann unterscheidet und wieso das Land "nach Jahrzehnten der Dürre" wieder auf einen Nobelpreis hoffen kann.

derStandard.at: Was würden Sie heute anders machen, wenn Sie noch einmal 30 wären?

Bartenstein: Ich würde früher mit dem Marathonlaufen beginnen, um die drei Stunden zu knacken.

derStandard.at: Privat verbindet man Sie seit langem mit Basketball und Marathonläufen. Was bedeutet Sport im Allgemeinen für Sie?

Bartenstein: Beim Sport bin ich ein Anti-Churchill. Sport ist ein wunderbarer Ausgleich. Die größte Schwierigkeit ist, sich nach dem Duschen noch die vielen guten Gedankengänge, die beim Laufen kommen, wieder aufzurufen.

derStandard.at: Nächstes Jahr feiern Sie allerdings Ihren 60er, sind Pharma-Unternehmer und Multimillionär. Warum hat es Sie so lange in der Politik gehalten?

Bartenstein: Wolfgang Schüssel hat erst kürzlich gesagt: Politik ist spannend, Politik muss begeistern. Für mich ist Politik auch nach 20 Jahren noch faszinierend, wenn auch nicht in allem erfreulich. Aber das Land soll und will geführt werden, und dazu ist Politik nötig ...

derStandard.at: ... hat aber auch ihre Schattenseiten. 2005 landete Österreich im Korruptionsindex noch auf dem zehnten Platz. Heute reihen wir uns hinter Uruguay und Chile auf dem 25. Platz ein. Wieso?

Bartenstein: Mag sein, dass Korruptions-U-Ausschüsse eine Rolle gespielt haben. Doch Österreich ist seit Jahren auf einem guten Weg, die Korruption zurückzudrängen. Aber keine Frage, Korruption ist absolut wachstumsfeindlich, standortschädlich und gehört energisch bekämpft.

derStandard.at: Stichwort Ausschüsse: Sie haben Schwarz-Grün abgelehnt und dem Schwarz-Blau vorgezogen. War das ein falscher Schritt?

Bartenstein: Das mit Schwarz-Grün stimmt nicht. Im Jahr 2003, als die Chance für Schwarz-Grün da war, hätte ich das als sehr spannend empfunden. In der finalen Verhandlungsrunde hat Peter Pilz plötzlich einmal mehr die Eurofighter ins Spiel gebracht und die Koalitionsgespräche platzen lassen. Als wir nach dieser Nacht auseinandergegangen sind, war das eine oder andere Auge feucht, auch bei den Grünen.

Foto: Hermann Sussitz

derStandard.at: In diese Zeit fielen der Buwog-Ver- und der Eurofighter-Ankauf. Wäre heute noch einmal Wahltag, würden Sie sich anders entscheiden?

Bartenstein: Wenn wir heute den 4. Februar 2000 hätten, würde ich Schwarz-Blau wiederum befürworten. In der Substanz hat das dem Land gut getan. Wir waren dank unserer Budgetdisziplin und Reformen damals sogar ein Stück weiter vor Deutschland. Heute jubelt Deutschland über ein Nulldefizit, und wir schreiben 2012 ein Defizit von drei Prozent. In vier Jahren Großer Koalition sind wir leider wieder hinter die Deutschen zurückgefallen.

derStandard.at: Der Kauf der Eurofighter war doch relativ teuer.

Bartenstein: Nicht teurer, als es die Gripen gewesen wären.

derStandard.at: Der Eurofighter-U-Ausschuss von 2007 legt aber nahe, dass im Bieterverfahren die Betriebskosten für die Abfangjäger nicht berücksichtigt wurden. Die Eurofighter wären sonst um eine Milliarde Euro teurer gewesen.

Bartenstein: Die Betriebskosten der Gripen im Nachhinein als niedrig anzusetzen ist für mich nicht nachvollziehbar. Für Details müssen Sie den damaligen Verteidigungsminister (Herbert Scheibner, Anm.) befragen. Ich war als Wirtschaftsminister für den Bereich der Gegengeschäfte zuständig.

derStandard.at: Die Staatsanwaltschaft spricht von einer kriminellen Vereinigung im Rahmen des EADS-Konsortiums. Dieses wird der Leistung von Schmiergeldzahlungen an Unternehmen und Beamte verdächtigt. Berührt Sie das?

Bartenstein: Ich kenne den Stand der Ermittlungen nicht. Ich weiß nur, dass seitens der Staatsanwaltschaft in Österreich zuletzt klargestellt wurde, dass weder gegen Beamte noch Politiker ermittelt wird. Der Rest sind Spekulationen, an denen ich mich nicht beteiligen will.

derStandard.at: Denken Sie nicht, dass Österreich getäuscht worden ist? Immerhin sind über die von EADS mit Geld gespeiste britische Vector Aerospace dutzende Millionen Euro ins Land zurückgeflossen.

Bartenstein: Das sind Vorwürfe, denen erst nachzugehen sein wird.

derStandard.at: Drei EADS-Lobbyisten werden der Bestechung und der Geldwäsche verdächtigt. Glauben Sie, dass an den Vorwürfen etwas dran ist?

Bartenstein: Es geht nicht ums Glauben, sondern um Fakten. Warten wir die Ermittlungen ab.

derStandard.at: Vizekanzler Michael Spindelegger schließt nicht aus, dass der Eurofighter-Kauf rückabgewickelt werden könnte. Glauben Sie daran?

Bartenstein: Wenn man von Rückabwicklung spricht, stellt sich die Frage der neutralitäts- und verfassungsmäßig gebotenen Luftraumüberwachung. Nachdem wir nicht NATO-Mitglied sind, müssen wir es selber machen. Zudem wären logischerweise auch Gegengeschäfte rückabzuwickeln. Wie das zu machen ist, muss man mir erst erklären.

derStandard.at: Auch die Privatisierung der Bundeswohnungen, die im sogenannten Buwog-Skandal mündete, hat ein schlechtes Licht auf die Amtszeit Kanzler Wolfgang Schüssels geworfen. Hat er Fehler gemacht?

Bartenstein: Dass da offensichtlich illegal Gelder geflossen sind – zumindest zehn Millionen Euro Provision für Insiderinformationen zum Angebot eines Mitbieters – ist skandalös. Das ist ein massives Vergehen. Aber die Privatisierung an sich war ein Geschäft für den Bund, das eine knappe Milliarde Euro in die Kassen gespült hat. Im Übrigen lag die Privatisierung der Buwog in der Verantwortung des Finanzministers (Karl-Heinz Grasser, Anm.), nicht in der des Bundeskanzlers. Ich halte die Amtsführung des Bundeskanzlers über all die sieben Jahre für beispielhaft. Im Gegensatz zum amtierenden Bundeskanzler (Werner Faymann, Anm.) wird gegen den damaligen Bundeskanzler übrigens seitens der Staatsanwaltschaft nicht ermittelt.

Foto: Hermann Sussitz

derStandard.at: Für die Zeit nach dem Parlament hat Sie Ihre Frau für Ihre Firma reklamiert. Die Gerot Lannach Holding ist eine Firmengruppe mit Umsätzen im dreistelligen Millionenbereich. Wie wird Ihr erster Arbeitstag dort aussehen?

Bartenstein: Der liegt schon hinter mir, denn ich bin seit ungefähr einem Jahr wiederum als operativer Geschäftsführer tätig. Meine Frau hat unser Unternehmen die letzten Jahre exzellent weiterentwickelt. Meine Arbeit dort duldet heute aber keine Teilzeitbeschäftigung mehr. Sie ist inzwischen zum Fulltime-Job geworden. Und nachdem für einen Nationalratsjob dasselbe – nämlich Fulltime – gilt, geht sich beides nicht mehr aus.

derStandard.at: Ihre Firma arbeitet mit dem kanadisch-amerikanischen Pharmaunternehmen Valeant zusammen. Wer hat den Deal eingefädelt?

Bartenstein: Bei der Zusammenarbeit mit Valeant handelt es sich um eine strategische Partnerschaft in mehreren Bereichen. Kern dieses Deals ist, dass wir eine Reihe von Produkten in Russland und Zentralasien über Valeant vertreiben. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Sie führen heute dieses Interview mit dem Ex-Minister und Verkehrssprecher, nicht mit dem Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens. Diese zwei Hüte möchte ich weiter in aller Deutlichkeit trennen.

derStandard.at: Trotzdem: Sie wollen ein sehr starkes Schmerzmittel auf den Markt bringen. Stammt es aus der Wiener Forschungsschmiede Akron Molecules, die der Genetiker Josef Penninger und Manfred Reichl, der Ex-Chef von Roland Berger Österreich, mit Ihnen gemeinsam gegründet haben?

Bartenstein: Keine Rede von auf den Markt bringen. Akron und auch die Apeiron sind Biotech-Start-ups, bei denen ich investiert bin. Es geht um Grundlagenforschung, und wir sind leider noch Jahre von Märkten und Patienten entfernt.

derStandard.at: Wollen Sie mit der Zusammenarbeit mit Penninger bewusst die österreichische Forschung unterstützen?

Bartenstein: Josef Penninger ist einer der renommiertesten Wissenschaftler, die es in Österreich gibt. Nicht ohne Grund ist er mit der Gründung und Leitung des IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie, Anm.) betraut worden. Der Geist in diesem Land, der immer da war, und das Geld, das bislang gefehlt hat, wird wissenschaftliche Spitzenleistung hervor- und hoffentlich nach Jahrzehnten der Dürre auch wieder einen Nobelpreis nach Österreich bringen.

derStandard.at: Ihr Stammsitz, das Schloss Lannach, hat NS-Vergangenheit. Haben Sie inzwischen, wie angekündigt, eine Gedenktafel angebracht?

Bartenstein: Es gibt eine Art Gedenktafel, die von außen allerdings nicht erkennbar ist.

derStandard.at: Wollen Sie nicht ein bisschen konkreter werden?

Bartenstein: Es gibt ein von mir an führende Historiker in Auftrag gegebenes Buch, das den historischen Wahrheiten viel stärker Rechnung trägt als irgendeine Gedenktafel, die zur Pilgerstätte bestimmter Leute werden könnte.

derStandard.at: Sie haben einmal beim Schuhkauf mit einer Rabatt-Aufforderung für Schlagzeilen gesorgt. Schmerzt es Sie, wenn Ihnen nach Ihrer politischen Karriere manche einen "guten Ab-Tritt" oder "Marathonläufe ohne Schuhwerk" wünschen?

Bartenstein: Von solchen Wünschen habe ich noch nichts gehört. Ich rechne allerdings auch nicht damit, dass mir irgendwer im politischen Umfeld eine Träne nachweint. Wenn doch, hätte ich sehr schnell den Verdacht, dass es eine Krokodilsträne wäre. (Hermann Sussitz/Sigrid Schamall, derStandard.at, 10.12.2012)