Seit März wurde in Graz verhandelt: Zuerst wegen schwerer Körperverletzung, dann wegen NS-Wiederbetätigung. Die Anklagebank war fast deckungsgleich besetzt, es ging großteils um dieselben Vorfälle, doch man wollte sich den Delikten in getrennten Verhandlungen widmen. Das mag technisch Sinn machen. Inhaltlich aber kann man NS-Ideologie und Gewaltbereitschaft nicht trennen. Das zeigen nicht nur Ergüsse der Angeklagten im Internet, das zeigten auch die Verletzungen ihrer Opfer.

Wer die Angeklagten in den letzten Monaten beobachten konnte, wie sie grinsend traumatisierten Zeugen zuhörten, nie Reue zeigten oder die politisch verfolgten Märtyrer gaben, erkennt: Ja, wir brauchen ein Verbotsgesetz. Immer noch. Leider. Um die Verfassung zu schützen und jene Bürger, denen es nicht egal ist, wenn jemand Nazi-Parolen ruft. Dort wo Jugendliche mit NS-Ideologie angesteckt werden, bleibt es meist nicht beim stillen Schmachten vor dem Bild des Führers. Viele sind zum Kampf bereit.

Das Gericht in Graz nahm die Gefahr ernst. Doch bis es zum Prozess kam, vergingen zwei Jahre. Die Ermittler ließen sich Zeit. Zeit, in der die Erinnerung mancher Zeugen verblasste. Zeit, in der Beweise verschwanden. Zeit, die jenen auf der Grazer Anklagebank nutzen könnte, die auch in der Causa Alpen-Donau.info verdächtigt werden. Der Verfassungsschutz muss künftig schneller arbeiten. Das Verbotsgesetz allein kann nämlich niemanden schützen. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 6.12.2012)