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Strasser wollte die vermeintlichen "Agenten" selbst "aufdecken", sagt er.

Foto: reuters/Bader

Am fünften Tag des Prozesses gegen den früheren ÖVP-Innenminister und Europa-Abgeordneten Ernst Strasser wurden seine früheren Mitarbeiterinnen als Zeuginnen befragt. Der Prozesstag begann mit der Einvernahme einer ehemaligen Assistentin. Die 31-jährige K. hatte bis zu Strassers Rücktritt als EU-Parlamentarier dessen Büro in Wien geleitet. Strasser soll ihr gegenüber schon im Herbst 2010 den Verdacht geäußert haben, von einem Geheimdienst abgehört zu werden.

Im Herbst 2010 habe Strasser erstmals erwähnt, dass er seiner Vermutung nach von einem Geheimdienst überwacht werde, so seine Assistentin K. Strassers Verhalten sei "fast schon paranoid" gewesen: Er habe ihr etwa einmal "im Vorbeigehen" einen Zettel hingelegt, auf den er gekritzelt hatte, "dass wir abgehört werden".

Als Richter Georg Olschak der Zeugin vorhielt, sie habe bei einer Einvernahme im Ermittlungsverfahren angegeben, ihr ehemaliger Chef habe den Agenten-Verdacht erst nach Auffliegen der Bestechungs-Affäre geäußert, meinte K., sie könne sich nicht mehr genau erinnern. Das sei alles schon lange her. Ihrer Erinnerung nach sei die Bemerkung im Herbst 2010 gefallen.

E-Mail von Bergman

Als zweite Zeugin sagte W. (29) aus Sie war zunächst Praktikantin und später Assistentin von Ernst Strasser in Brüssel und Straßburg. Sie erklärte, die vermeintliche Lobbying-Agentur Bergman & Lynch habe Anfang März 2010 per Email um einen Termin mit Strasser ersucht. Dieses Mail habe sie ihrem Chef weitergeleitet und sich zugleich die Homepage der Firma angesehen: "Die Homepage war etwas merkwürdig. Komisch. Weil keine Fotos da waren, keine Namen von Ansprechpartnern. Es waren keine Informationen da." 

Anruf vor Rücktritt

Im weiteren Verlauf habe ihr Chef den Geheimdienst-Verdacht ins Spiel gebracht und vermutet, sein Büro werde abgehört: "Er hat gesagt, dass wir uns nicht fürchten sollen und den Betrieb ganz normal aufrechterhalten sollen." Dass Bergman & Lynch eine Scheinfirma war, habe sie erst mitbekommen, als die "Sunday Times" die Tarnung auffliegen ließ und Strasser erklärte "Jetzt wissen wir, wer dahinter steckt". Vor seinem Rücktritt habe Strasser alle seine Assistentinnen angerufen "und mitgeteilt, dass er dem Herrn Pröll den Rücktritt anbieten muss. Da war ich fertig mit der Welt", gab W. zu Protokoll. Sie habe befürchtet, damit ebenfalls ihren Job zu verlieren.

"Hartnäckige Korrespondenz

Die frühere Strasser-Assistentin hatte hinsichtlich einer Anleger-Entschädigungsschutz-Richtlinie auf Geheiß ihres Chefs bei Mitarbeitern von Strassers Fraktionskollegen Othmar Karas und Helga Ranner recherchiert und sich erkundigt, ob man noch einen Abänderungsantrag einbringen könne. Da ihr aus dem Büro Ranner beschieden wurde, die dafür vorgesehene Frist sei bereits abgelaufen, hatte sich die Assistentin per Email mit der Bemerkung "Denkst du, dass man da noch etwas retten kann?" an eine Kollegin im Büro Karas gewandt. Richter Georg Olschak nannte das nun "eine hartnäckige Korrespondenz".

"Ich habe mir nichts gedacht dabei", erwiderte die Zeugin, "es war das erste Mal, dass ich mit so was befasst war." Sie habe "das so aufgefasst, dass die Sinnhaftigkeit dieses Antrags geprüft wird".

Die 31-jährige M., ebenfalls eine vormalige Assistentin des Ex-Delegationsleiters der ÖVP im EU-Parlament, hatte Strasser in einem Mail im Jänner 2010 darauf aufmerksam gemacht, dass er ein Gratis-Handy, das ihm Motorala angeboten hatte, "nicht annehmen dürfe", zitierte Oberstaatsanwältin Alexandra Maruna aus dem Mail-Verkehr mit Strasser, als diese junge Frau in den Zeugenstand trat. "Warum nicht?", schrieb Strasser laut Maruna zurück. "Ist nicht erlaubt laut Geschäftsordnung", entgegnete M.

Treffen einberufen

Bei einem Treffen mit seinen Mitarbeiterinnen, die Strasser eigens einberief warnte er seine Assistentinnen davor, dass das Büro möglicherweise von einem Geheimdienst abgehört wird. Das sagten alle parlamentarischen Mitarbeiterinnen Strassers aus. Er habe das in den Zusammenhang mit dem "SWIFT"-Abkommen - ein Abkommen zwischen der EU und den USA über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten - gebracht. Von Bergman & Lynch sei aber nie die Rede gewesen, sagt M. 

Treffen mit Gridling

Peter Gridling, seit März 2008 Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), hat erst nach Auffliegen der Korruptions-Affäre um Ernst Strasser von der Vermutung des ehemaligen Innenministers erfahren, ihm, Strasser, sei ein Geheimdienst auf den Fersen. Das erklärte Griding als Zeuge am fünften Verhandlungstag gegen Strasser im Wiener Straflandesgericht.

Strasser habe ihn im April 2011 "um Rat gebeten, weil er die Einladung eines russischen Geschäftspartners zu einem Konzert hatte", gab der BVT-Chef zu Protokoll. Der Ex-Minister habe diesen Umstand mit einem Geheimdienst in Verbindung gebracht. Auf die Frage des Richters, ob auch von einem westlichen Geheimdienst die Rede gewesen sei, erklärte Gridling, er habe Strasser auf die vermeintliche Londoner Lobbying-Agentur Bergman & Lynch angesprochen, hinter der sich die beiden britischen Aufdeckungs-Journalisten getarnt hatten, denen Strasser auf den Leim gegangen war. Strasser habe die Frage verneint, ob Bergman & Lynch mit einem Geheimdienst zu tun haben könnten, so Gridling.

Strasser behauptet bekanntlich, das Spiel der Journalisten von Anfang an durchschaut und sich nur zum Schein auf die Gespräche mit den falschen Lobbyisten eingelassen zu haben, weil er den Verdacht hatte, im Visier eines Geheimdiensts zu stehen. Er habe die Agenten bzw. deren Auftraggeber aufdecken zu wollen. Zum BVT sei er deshalb nicht gegangen, weil man dem Verfassungsschutz einerseits "pfannenfertige Unterlagen" liefern müsse und er andererseits befürchtet hätte, mit seinen noch vagen Hinweisen "von denen ausgelacht" zu werden, wie der Angeklagte in der Vorwoche festgestellt hatte.

Kein Vertrauen zum Verfassungsschutz

Weshalb Strasser zum Verfassungsschutz kein Vertrauen gehabt haben könnte, wurde Gridling im Zeugenstand nicht gefragt. Auch eine Einschätzung Gridlings hinsichtlich Strassers Verantwortung vor Gericht war kein Thema. Der BVT-Chef erzählte allerdings von einem zufälligen Treffen mit dem früheren Innenminister in einem Wiener Kaffeehaus im November 2010 - just zu jenem Zeitpunkt hatte Strasser auch erstmals die falschen Lobbyisten getroffen. Die nach seinem Dafürhalten auf ihn angesetzten Agenten erwähnte Strasser allerdings gegenüber Gridling mit keinem Wort. Er habe ihn, Gridling, lediglich für ein Hearing im EU-Parlament zum Thema Innere Sicherheit gewinnen wollen, berichtete der oberste Verfassungsschützer.

Der Prozess wird am kommenden Donnerstag mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt. Geladen ist unter anderem der nunmehrige ÖVP-EU-Delegationsleiter Othmar Karas. (APA/red, derStandard.at, 4.12.2012)