Wien - Sie klappern ländliche Gemeinden seit Jahrzehnten nach altem Krempel ab. Auf Mistplätzen werden sie vom Personal nicht selten geduldet, als Helfer willkommen geheißen und mit Sperrmüll entlohnt. Für Abfallwirtschaftsverbände sind sie ein rotes Tuch.

Rund 3.000 Müllsammler leben von Waren, deren sich die Österreicher vor Gartenzäunen oder auf kommunalen Abfallplätzen entledigen. Gut 100.000 Tonnen sind es jährlich, die über illegale Wege die offiziellen Müllströme umgehen. 70.000 Tonnen davon fließen über die Grenze nach Ungarn. Der Rest verteilt sich auf andere osteuropäische Länder oder erhält in Österreich eine zweite Chance.

Nachschau auf Mistplätzen

Vier Jahre lang hat ein Team des Instituts für Abfallwirtschaft der Boku Wien die informellen Warenströme auf soziale und ökologische Folgen hin abgeklopft. An den Grenzen nach Ungarn wurde ebenso regelmäßig Nachschau gehalten wie auf Österreichs Mistplätzen. Seine nun vorgelegte Bilanz fällt weit positiver aus, als das Bild, das die Abfallwirtschaft erst jüngst nach Expertisen der Montanuniversität Leoben zeichnete.

Während die Branchenverbände vor Umweltproblemen durch unsachgemäße Entsorgung im Osten warnen, teils mafiöse Strukturen dahinter ausmachen und vor allem finanzielle Verluste für Österreich durch den Verlust wertvoller Rohstoffe wie Metall fürchten, überwiegen für die Uni für Bodenkultur die Vorteile der informellen Abfallbrigaden.

45 Prozent wiederverwendbar

Bei mehr als 45 Prozent des gesammelten Unrats handle es sich um Wiederverwendbares wie Möbel, Sportgeräte, Hausrat und Kleidung. 22 Prozent fielen in den Metallbereich, 16 Prozent seien Elek- trogeräte. Auch wenn Teile davon nicht korrekt entsorgt würden, un- term Strich sei die Umweltbilanz durch die längere Nutzung besser, als wenn die Ware sofort ausrangiert werde. Gudrun Obersteiner, die das von der EU-geförderte Projekt Transwaste leitet, spricht Österreichs Wirtschaft Rohstoffverluste nicht ab. "Für viele Sammler ist es jedoch die einzige Einkommensquelle."

Dass sich vor einzelnen Grenzstationen Berge an von Ungarn aussortiertem Müll finde, sei falsch. Das System gehöre dennoch in Ordnung gebracht und auf rechtlich sichere Beine gestellt. Es gehe auch nicht an, dass die Österreicher die Verantwortung für ihren Mist an Sammlern abluden.

Obersteiner regt an, funktionstüchtigen Produkten mit einer Art Schenkungsvertrag und Übergabelisten den legalen Weg über die Grenze zu ebnen. Für Altes aber Brauchbares ließen sich auch auf Müllplätzen in dafür reservierten Ecken neue Besitzer finden - viele Projekte laufen bereits. Ziel sei zudem, wie in Österreich auch in Ungarn sozialökonomische Betriebe zu gründen, die Sammler beschäftigen und ausbilden. Ein Verein für grenzüberschreitenden Gebrauchtwarenhandel soll mehr Transparenz bringen. Wer in Österreich illegal Abfall entsorgt, riskiert Strafen bis zu 30.000 Euro. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 4.12.2012)