Was heißt Gefängnis? Das Walk-Tanztheater gibt "Aufschluss". 

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Feldkirch - Was Sie schon immer über Knast wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten, das werden Sie auch in Aufschluss nicht erfahren. Dafür führt das Walk-Tanztheater im Alten Hallenbad vor, wie es sein mag, für ein Projekt über Menschen im Gefängnis zu recherchieren: Frau vom Theater befragt Mann auf Bewährung. Zappelig und verlegen beide. Die Künstlichkeit dieser Kommunikation wird böse überspitzt, garniert mit Denkblasen.

Anstoß für die tatsächliche Recherche war die Justizanstalt Feldkirch: Unmittelbar dort parken die Besucher diverser Kulturveranstaltungen. Das hellgrün geflieste Bassin ("Pool") mit den Sicherheitsgittern am Beckenrand ist nicht nur durch die räumliche Nähe zur Strafvollzugsanstalt, sondern auch in Look und Ausstattung als Spielstätte ideal. Weniger ideal mancher Griff in der Dramaturgie: So befreiend es ist, Foucault einmal auszulassen, so wenig zwingend scheint es, dem neuen Material noch Unterweger aufzuladen.

Integraler Bestandteil von Brigitte Walks Produktionen ist das Kollektiv ("Bewegungschor"). Es interagiert mit drei Schauspielern - Peter Bocek variantenreich in Sprachakzenten - und einem Tänzer: Kilian Haselbeck macht nicht nur Beklemmung, Wut, Ausbruchsfantasien und Beziehungsdynamik (im Duo mit Brigitte Walk) körperlich. Er knackt auch die zweite persiflierte, diesmal mediale Interviewsituation ("Gast aus dem Knast: Herr Manfred"). Durch den stummen Partner, der neben dem Ex-Häftling sitzt und ihn zunächst synchron bestätigt, dann ausschert, kommt Spannung in die Gesprächsfläche.

Aufschluss gibt sich betont distanziert. Man arbeitet mit viel (Selbst-)Ironie, die Stilisierung bedient sich einer Prise Trash und eines heiklen Hauchs von Süffisanz, manchmal schrammt Regisseurin Karin Eppler an der Grenze zum Kabarett entlang. Der Einlass erfolgt, nach Geschlechtern getrennt, durch Kontrollschleusen mit rotierenden Warnleuchten. Kitsch-Alarm wird mit Sicherheit keiner ausgelöst. Aber die Mittel zur Vermeidung schießen mitunter übers Ziel hinaus. Das ist der Preis der Vorweihnachtszeit, in der die Rührseligkeit an jeder Ecke lauert. (Petra Nachbaur, DER STANDARD, 4.12.2012)