Die Wiener Studentengruppe "Europe vs. Facebook" rechnet mit einem Gerichtsverfahren gegen Facebook.

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"Europe vs. Facebook"-Sprecher Max Schrems

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Die österreichische Studentengruppe "Europe vs. Facebook" will wegen des Vorwurfs von mangelndem Datenschutz beim sozialen Netzwerk Facebook vor Gericht ziehen, wie die Gruppe am Dienstag mitteilte. Nach der Veröffentlichung des Berichts der irischen Datenschutzbehörde im Beschwerdeverfahren gegen das soziale Netzwerk hat die Studentengruppe rund um Max Schrems nun einen Gegenbericht geliefert. Darin wird kritisiert, dass die irische Behörde in vielen Punkten nur halbe Lösungen biete.

Erfolge wie deaktivierte Gesichtserkennung

Das Untersuchungsverfahren der Behörde habe durchaus einige Erfolge gebracht. So muss Facebook etwa mehr Daten der Nutzer herausgeben, die Gesichtserkennung wurde deaktiviert und Löschungsfristen wurden verkürzt. Auch die Datenschutzrichtlinie wurde geändert. Das sei definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Im Detail sei jedoch schlampig und ungenau gearbeitet worden.

Abweichung von EU-Recht

In vielen Punkten weiche die irische Behörde vom EU-Recht ab, kritisiert die Initiative. "Wir haben uns strikt an die Rechtsansichten des gemeinsamen Gremiums der europäischen Datenschutzbehörden gehalten. Was die Iren behaupten ist oft meilenweit vom Rest der EU entfernt", so Schrems. Die Behörde verfüge nicht über die Ressourcen und sei von den Anwälten des sozialen Netzwerks praktisch überrannt worden. EU-Bürger hätten jedoch ein Grundrecht auf Datenschutz "und bei Grundrechten hört sich unter Verständnis für halbe Lösungen auf."

Halbherzige Umsetzung

Viele Lösungen seien nur halbherzig umgesetzt worden. 40.000 Nutzer hätten beispielsweise von ihrem Recht auf Auskunft Gebraucht gemacht, bislang jedoch keine Daten erhalten. Bei der Gesichtserkennung sei unklar, wieso sie nur für EU/EWR-Bürger deaktiviert sei, zumal die irische Behörde für alle Facebook-User außerhalb der USA und Kanada zuständig sei. Auch sei nicht klar, wie das "Gesichtserkennungsverbot" technisch umgesetzt sei.

Auf Angaben von Facebook verlassen

Die Initiative wirft den Sachverständigen vor, sich teilweise nur auf die Angaben von Facebook zu verlassen. So habe ein Sachverständiger in Bezug auf die Datensicherheit behauptet, dass es wohl keine Datenlecks gebe, da er in den Medien noch nichts davon gehört habe. Für Schrems sei das vergleichbar mit einem Bautechniker, der sagt, dass eine Brücke sicher sei, solange er in der Zeitung nicht von einem Einsturz gelesen habe. Die Gruppe äußerte auch Zweifel an der Seriösität der Sachverständigenfirma FTR Solutions.

Studenten rechnen mit Gerichtsverfahren

Bislang sei den Studenten auch noch immer die Akteneinsicht verwehrt worden. "Europe vs. Facebook" werde die Behörde nun nochmal auffordern alle notwendigen Unterlagen herauszugeben. Danach werde eine formelle Entscheidung aller Anzeigen verlangt. Man hoffe zwar auf eine günstige Entscheidung, rechne aber damit, dass die Behörde in vielen Punkten nicht im Sinne der Nutzer entscheiden werde. Nach irischem Recht bestehe dann eine Frist von 21 Tagen, um Berufung einzulegen.

Entscheidung vor EuGH hätte "Signalwirkung"

Schrems: "Wenn wir die Sache vor die Gerichte bekommen, dann würde das mit großen Chancen sogar bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gehen. Eine Entscheidung dort hätte Signalwirkung für die gesamte Online-Industrie, ähnlich wie die Microsoft-Entscheidungen im Kartellrecht. Für Facebook alleine würde sich ein solches Verfahren eher nicht auszahlen."

Hohe Kosten

Das Kostenrisiko bei einem Gerichtsverfahren gegen die Datenschutzbehörde liege allerdings bei 100.000 bis 300.000 Euro, eine Prozesskostenbegrenzen oder Prozesskostenhilfe gebe es in Irland nicht. Um ein Verfahren finanzieren zu können wurde eine Crowd-Funding-Plattform eingerichtet. Sollte zu wenig Geld gesammelt werden und es zu keinem Verfahren kommen, bzw. Geld übrig bleiben, könnten die Spender ihr Geld zurückbekommen.

Zumindest 5.000 Unterstützter erhofft

Die Spendenaktion soll möglichst transparent verlaufen, die Initiative wolle selbst daran nicht verdienen. Bisher hätten die Leute durchschnittlich 20 Euro beigesteuert. Bei 5.000 Unterstützen könnten die wichtigsten Punkte vor Gericht gebracht werden. "Aus allen Kanonen" könne man bei 15.000 Unterstützern schießen. "Wenn es nicht funktioniert, dann haben wir zumindest alles versucht." (Birgit Riegler, derStandard.at, 4.12.2012)

Update 14:00

Ursprünglich wurde behauptet, dass die Studenten direkt gegen das Unternehmen Facebook vor Gericht ziehen wollen. Korrekt ist, dass sich die Gruppe auf ein Verfahren gegen die irische Datenschutzbehörde vorbereitet. Diesem Verfahren könnte sich Facebook anschließen und wäre somit der "faktische Gegner", heißt es seitens der Initiative in einer Klarstellung.

Update 14:30

Die deutsche Datenschutzbehörde, das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), hat auf den Bericht der Studenten reagiert. "Die eingehende Analyse kommt unter Auswertung der verfügbaren objektiven Fakten zu dem Ergebnis, dass Facebook insofern weiterhin gegen europäisches und selbst gegen irisches Recht verstößt. An vielen Beispielen wird nachvollzogen, wie auf der durch Facebook bereitgestellten Plattform in unzulässiger Weise Verhaltensdaten der Nutzerinnen und Nutzer ausgewertet und kommerziell verwendet werden. Das ULD teilt die in der Antwort geäußerte Kritik an den unzureichenden Einwilligungen und der mangelhaften Transparenz in Bezug auf die Datenverarbeitung in den Hintergrundsystemen bei Facebook", heißt es in einer Aussendung.