Eva Glawischnig hat im STANDARD-Interview für die Nationalratswahlen ein Ziel von 15 Prozent vorgegeben. Das wäre ein Zuwachs um fast 50 Prozent - und würde doch nicht für eine Koalition mit der SPÖ reichen (außer die nimmt einen gewaltigen Aufschwung, wovon eher nicht auszugehen ist). Mit der ÖVP wollen die Grünen im Bund ausdrücklich nicht koalieren, aber auch das würde sich nicht ausgehen.

Eine Regierungsbeteiligung wäre trotzdem drin, wenn SPÖ und ÖVP zusammen keine Mehrheit zustande bringen und einen dritten Partner brauchen. Freilich müsste man sich dann in der ÖVP fragen, ob man sich wirklich zwischen zwei linken Parteien einklemmen lassen will. Denn die Grünen haben sich entschlossen, eine prononciert linke Partei zu sein: im erwähnten Interview sprach sich Glawischnig für eine Grenze von 500.000 Euro aus, ab der eine Vermögenssteuer fällig wird (die SPÖ redet von einer Million). Das wäre etwa der Gegenwert einer 100-m2-Eigentumswohnung in guter Lage; die Wiener Grünen unter Vassilakou wollen den Markt beim Mietrecht praktisch ausschalten.

Diese Entscheidung nach links zu treffen ist das gute Recht der Grünen. Sie sind aus etlichen anderen Gründen wählbar: Wer Eintreten für Umweltfragen schätzt (Vassilakou will den umstrittenen Autobahntunnel unter der Wiener Lobau verhindern); wer es für unerträglich hält, wie die anderen Parteien mit der Ausländerfrage umgehen; wer politische Sauberkeit und Aufdecker-Potenzial wünscht; und schließlich wer eine verlässliche Wächterrolle gegen rechtsextreme Tendenzen schätzt, findet das nur bei den Grünen. Die Namen Peter Pilz, Gabriela Moser und Karl Öllinger stehen für diese beiden zuletzt genannten Themen. Es wäre schade, würde etwa Öllinger, der die rechte Szene scharf unter Beobachtung hält, bei der Aufstellung der Bundesliste an diesem Samstag nicht mehr auf einen wählbaren Platz kommt.

Die Ausrichtung der Grünen nach links in der Steuerpolitik, die im Grunde eigentumsfeindlich und auch rein praktisch nicht gerade gut durchdacht ist, verbaut wahrscheinlich etliche Wahlchancen bei eher bürgerlich-liberalen Wählern. Das Wählerpotenzial der Grünen ist so strukturiert, dass man auch auf dieses Segment Rücksicht nehmen sollte - geschieht aber nicht. Das muss nicht, kann aber bedeuten, dass es sich mit einem kräftigen Zuwachs wieder nicht ausgeht. Die Grünen kämen dann wieder nicht so recht vom Fleck, was wohl zu Selbstzweifeln und vielleicht sogar zu einer Personaldebatte führen könnte.

Jedenfalls werden die Grünen in der jetzigen politischen Landschaft nach wie vor gebraucht. SPÖ und ÖVP sind müde und ausgelaugt, weiter rechts tummeln sich die FPÖ, Stronach und das BZÖ, von denen keine vernünftige Politik zu erwarten ist. Andere, noch ganz kleine Bewegungen sind schwer einschätzbar.

Die Situation müsste an sich günstig für die Grünen sein. Aber irgendetwas, irgendein neuer Impuls muss noch kommen, wenn sie Glawischnigs 15 Prozent erreichen wollen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 1.12.2012)