Wien - Die Meinl Bank in der Wiener Innenstadt wurde am Donnerstag erneut von Ermittlern durchsucht - ungefähr fünf Jahre, nachdem die Justiz ihr Verfahren gegen den jetzigen Aufsichtsratschef, Julius Meinl V., Bankchef Peter Weinzierl und andere begonnen hatte. Von neun Uhr früh bis abends filzten rund 30 Leute die vornehme Privatbank, zur großen Empörung Weinzierls. Er nannte die Durchsuchung, wie in einem Teil unserer Freitagsausgabe berichtet, eine "Inszenierung, weil es über die Jahre nicht gelungen ist, uns etwas anzuhängen".

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Thomas Vecsey, setzt dagegen: "Unsere Dokumentation war nicht lückenlos, es haben uns noch Unterlagen gefehlt." Letztlich wurden zahlreiche Akten, Unterlagen sowie große Datenmengen beschlagnahmt. Julius Meinl war bei der Durchsuchung übrigens nicht im Haus, tags zuvor wäre auch er in der Bank anzutreffen gewesen. Die Justiz ermittelt u. a. wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs rund um die abgestürzten Zertifikate von Meinl European Land (MEL).

Laut dem Durchsuchungsbeschluss, der dem Standard vorliegt, hat sie vor allem nach Unterlagen gesucht, die "Zahlungsflüsse zwischen der Bank und Gesellschaften, mit der sie in Geschäftsbeziehung steht bzw. stand", belegen, sowie nach Verträgen. Neben diversen Meinl-Gesellschaften (in Wien, Zürich, der Karibik und auf Jersey), der Somal Investment (die bei den MEL-Zertifikat-Rückkäufen die zentrale Rolle gespielt hat) geht es auch um die Oryx Investment Ltd. auf Cayman Island.

Diese Gesellschaft spielt bei jenen Untreue-Vorwürfen eine Rolle, die rund um die Sachdividende 2008 erhoben werden. Diese Vorwürfe sind relativ jung; zu ihnen wurde Meinl-Bank-Präsident Meinl V. erstmals am 11. September einvernommen. Die Dividende in der Höhe von 211 Mio. Euro hat sich Meinl für 2008 ausschütten lassen; die Staatsanwaltschaft sieht darin eine Schmälerung des Bankvermögens und verdächtigt die Organe der Bank eben auch deshalb der Untreue und der Bilanzfälschung. Wo sich der Kreis zur Oryx Investment Ltd. schließt: Hinter der Sachdividende verbarg sich eine Beteiligung an dieser Gesellschaft, deren Verkehrswert damals 212 Mio. betrug.

350 Millionen Risiko

Laut einem Notenbank-Prüfbericht war diese Ausschüttung, die die Hauptversammlung der Meinl Bank im Februar 2009 beschloss, "ungewöhnlich hoch". Die Eigenkapitalbasis der Bank sei dadurch "stark reduziert" worden - ein Vorwurf, den Bankchef Weinzierl wiederholt zurückgewiesen hat.

In ihrem jüngsten Durchsuchungsbefehl begründet die Staatsanwaltschaft nun auch ihren Verdacht der Untreue (zum Nachteil der Bank) in diesem Zusammenhang genau. Der Bankvorstand hätte in der Bilanz 2008 Rückstellungen für potenzielle Haftungsrisken der Bank in der Höhe von 350 Mio. Euro bilden müssen. So hoch sei Anfang 2009 das Haftungsrisiko der Bank gewesen, "weil mit der Beendigung der Geschäftsbeziehung zur MEL de facto die einzige Einnahmequelle der Bank weggefallen war und kein annähernd gleichwertiges Gewinnmodell bestand". Dazu sei noch gekommen, dass man gewusst habe, "dass die Bankaktionäre (eine niederländische Gesellschaft, die Meinl zuzurechnen ist; Anm.) in der Hauptversammlung ... eine Gewinnausschüttung von 211,909 Mio. Euro (Sachdividende) beschließen werden". Und zwar "entgegen dem (vermeintlichen) Vorschlag des Vorstands und Aufsichtsrats, den gesamten Gewinn aus dem Jahr 2008 auf neue Rechnung vorzutragen".

Anders ausgedrückt lautet der Vorwurf, man habe die Bank widerrechtlich ausgeräumt - was die Beschuldigten heftig bestreiten. Bankchef Weinzierl hat seine Rechtsansicht anlässlich der Vernehmung Meinls im September (Meinl war dafür von Polizisten aus der Bank abgeholt worden) so ausgedrückt: "Wenn die Ausschüttung einer Dividende Untreue ist, mach sich jeder Vorstand schuldig, der eine Ausschüttung beschließt und jeder Anleger, der sie bezieht." (Renate Graber, DER STANDARD; 1./2.12.2012)