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Peter Stöger hat bei der Wiener Austria seine drei Gebote umgesetzt, nämlich Respekt, Vertrauen und Verantwortung.

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Für mich ist das Match der Höhepunkt der Woche, also ziehe ich mich schön an.

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STANDARD: 17 Spiele, 41 Punkte, sechs Siege hintereinander, fünf Zähler Vorsprung auf Salzburg. Mehr geht nicht, oder?

Stöger: Ja. Die Burschen spielen auf einem sehr hohen Level, nicht nur punktemäßig, auch inhaltlich. Wir wissen aber auch, dass es nun bis zur Winterpause wirklich kompliziert wird. Salzburg und Wolfsberg auswärts, Sturm daheim. Andererseits gibt es keine leichten Partien. Manche schauen danach nur leicht aus.

STANDARD: Suchen Sie nach Erklärungen? Können Erfolge zu einer Verunsicherung führen? Der Gesunde hat vielleicht Angst vor einer Krankheit. Oder ist die Austria in einer Situation, in der man das Denken am besten abstellt?

Stöger: Nein. Es hört sich komisch an, aber du musst noch konsequenter weiterarbeiten. Um die Mechanismen zu stoppen. Gefahren wie Überheblichkeit oder Leichtsinn gehören ausgeschaltet. Um das Niveau zu halten, muss im Training voll Stoff gegeben werden. Merkst du, dass es zu lustig wird, hört sich der Spaß auf. Man kann den Schalter nicht umlegen. Von Montag bis Donnerstag witzig sein, weil eh alles Weltklasse ist, und sich dann ab Freitag auf das spannende Match am Samstag konzentrieren geht nicht.

STANDARD: Ist gerade in Erfolgsphasen der Pädagoge gefragt?

Stöger: Ja, da ist er mehr gefordert. Rennt es nicht, kann man es in der Zeitung nachlesen.

STANDARD: Bei Niederlagen wird automatisch der Trainer hinterfragt, bei Siegen ist die Mannschaft toll. Ist die Trainerwelt ungerecht?

Stöger: Das ist doch üblich und überall so. Schreiben die Schüler einer Klasse lauter Einser, heißt es, wie gescheit die Kinder sind. Es kommt keiner auf die Idee, dass der Lehrer super sein könnte. Es ist aber schon der Fall, dass du im Trainerjob nicht von Kontinuität reden darfst. Es ist ein Wochengeschäft. Roberto Di Matteo holt mit Chelsea die Champions League, wird kurz darauf zum Deppen erklärt und entlassen. Das kann dir bei Simmering oder der Austria auch passieren. Nicht der Sieg in der Champions League, die Entlassung.

STANDARD: Wie hoch ist Ihr Anteil an der Serie, kann man den objektiv beziffern?

Stöger: Nein, das will ich gar nicht. Für mich ist imponierend, dass wir im Kader keine großartigen Veränderungen vorgenommen haben. Auch vor der Verpflichtung Hosiners waren wir gut. Es ist beeindruckend, was die Burschen im Vergleich zum Vorjahr aus sich herausholen. Die Körpersprache ist eine andere.

STANDARD: Unterscheidet sich der Austria-Trainer Stöger vom Wiener-Neustadt-Trainer Stöger?

Stöger: Nein, die Grundprinzipien gelten immer. Die Klubs haben nur andere Möglichkeiten und Vorgaben, die Spieler unterschiedliche Qualitäten. Du musst die Leute überall weiterentwickeln. Wie du mit den Kickern menschlich umgehst, hängt nicht von deren Niveau ab.

STANDARD: Was sind Ihre Grundprinzipien, Ihre Gebote? Es müssen ja nicht zehn sein.

Stöger: Es sind drei Eckpfeiler. Respektvoller Umgang mit allen, vom Zeugwart bis hin zum Schiedsrichter. Vertrauen ist die Basis. Der dritte Punkte ist Verantwortung, sich selbst und der Mannschaft gegenüber. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, beginnt die Trainingsarbeit.

STANDARD: Kann ein Trainer authentisch sein, oder muss er eine Rolle spielen? Den Eitlen, den Arroganten, den Volksnahen, den Autoritären, den Kumpel, den Griesgram, den Lustigen, den Philosophen? Das Angebot ist ausufernd. Wen spielt Stöger?

Stöger: Niemanden. Trainer und Privatmann ist eins zu eins.

STANDARD: Trotzdem. Muss man nicht doch Kompromisse machen? Als Betreuer von Schalke trägt man zum Match eher einen Trainingsanzug, das kommt besser an.

Stöger: Mag sein. Bleiben wir bei der Kleidung. Für mich ist das Match der Höhepunkt der Woche, also ziehe ich mich schön an. Und das ist sicher nicht der Trainingsanzug. Immerhin bist du in der höchsten Liga in Österreich beschäftigt. Beim GAK, das war Regionalliga, reichte das Trainingsgewand. Abgesehen davon könnte man auf Schalke auch feinen Zwirn tragen. Wenn man siegt.

STANDARD: Es gibt Kombinationen, die passen. Hierzulande Stöger und Austria, international bilden Jürgen Klopp und Dortmund ein perfektes Duo. Ein Vorbild?

Stöger: Es gibt Kollegen, die mir taugen, aber ich kann und will sie nicht imitieren. Ein Ferguson, ein Wenger imponieren mir, aber es wäre lächerlich, mich mit ihnen zu vergleichen. Klopp ist in aller Munde, weil er die Bayern seit zwei Jahren sekkiert, er ist ein lässiger Typ. Sprachtechnisch halte ich viel von ihm, vom Typ her brauche ich ihn nicht. Für mich steht Mourinho über allen. Ich glaube, er ist überhaupt nicht arrogant. Man sagt dem Stevens nach, dass er ein Grantler ist. Ich war bei ihm hospitieren, er war einfach super zu mir.

STANDARD: Bleiben wir in der österreichischen Realität. Die Zahl der Legionäre steigt, das Nationalteam profitiert davon. Österreichische Trainer sind im Ausland ungefähr so gefragt wie Eiswürferln in der Antarktis. Ist die Austria schon der berufliche Höhepunkt?

Stöger: Ja, weiter nach oben ist nicht leicht möglich. Ich bin bei einer der besten Adressen im Land und extrem glücklich darüber. Aber vielleicht kommt man irgendwann drauf, dass wir nicht so schlecht sind. Fakt ist, dass die Welt nicht auf uns wartet.

STANDARD: Kommt die Austria dem Idealbild vom Fußball nahe - im Rahmen der Möglichkeiten?

Stöger: Wir haben im Herbst nahezu alles ausgeschöpft. Wir waren in den 17 Runden nur einmal die schlechtere Mannschaft, beim 0:1 gegen Salzburg. Wir waren sonst nie angezählt, sind nie in den Seilen gehangen, haben immer gewusst, wo der Ball ist.

STANDARD: Warum gewinnt die Austria am Sonntag in Salzburg?

Stöger: Das kann ich nicht sagen. Weil der Eckpfeiler Respekt auch für andere gilt. Ich habe unglaublichen Respekt vor Salzburg.

STANDARD: Wären ein Sieg und somit acht Punkte Vorsprung nicht gefährlich, von wegen Leichtsinn?

Stöger: Nein. Ich will immer der Gejagte sein, da fühle ich mich viel wohler. Nachrennen ist verdammt unangenehm. (Christian Hackl, DER STANDARD, 30.11.2012)