Einst hat er die "gelenkte Demokratie" in Russland erfunden, dann wurde er eines der wenigen "Opfer" der Protestbewegung im vergangenen Winter, die echte Wahlen und mehr Demokratie in Russland forderte. Wladislaw Surkow wurde "strafversetzt" von der Präsidialverwaltung in die Regierung. Der langjährige Chefideologe des Kremls musste mit dem zwar prestigeträchtigen, aber letztendlich wenig einflussreichen Posten des Vizepremiers für Modernisierungsfragen vorliebnehmen.

Kein Wunder, dass spätestens seit diesem Zeitpunkt sein Verhältnis zur Demokratie als gespalten gelten muss. "Demokratie ist Luxus", technologischer Fortschritt weitaus wichtiger, hat er nun seine Philosophie bei einem Treffen mit Duma-Abgeordneten zusammengefasst. Für jemanden, der über Jahre hinweg als "Meister des unausgesprochenen Worts" galt, ist das eine unfassbar offene Äußerung über seine Weltanschauung.

Eigentlich wollte der 1964 als Sohn einer Russin und eines Tschetschenen geborene Surkow Regisseur werden, doch das Studium dazu brach er ab. In der Reklame hatte sich Ende der 80er-Jahre zur Perestroika-Zeit eine bessere Möglichkeit zum Geldverdienen gefunden. Beim Lobbyieren von Produkten und Interessen entfaltete Surkow sein größtes Talent. Er stieg zum Marketingleiter der Bank Menatep auf, deren Chef Michail Chodorkowski aus dem Weg zu räumen er später genauso gnadenlos wie effizient mithalf. Nichts Persönliches - ein Befehl von oben.

Lobbyarbeit

Die Wünsche seiner Vorgesetzten seien für ihn stets Befehl, sagte er einmal. Diese Loyalität und sein Ideenreichtum machten ihn über Jahre hinweg im Kreml unentbehrlich, zuerst noch für Jelzin, dessen Impeachment er mit gekonnter Lobbyarbeit - und wie es heißt mit gekauften Stimmen in der Duma - verhinderte, später für Putin.

Er hob die Kreml-Jugendorganisation Naschi aus der Taufe, und er führte - stets im Hintergrund - die Kremlpartei Einiges Russland zu ihrer Dominanz. Der Name Surkow steht für Scheinwahlen und PR-Tricks, die zum Ersatz für echte politische Auseinandersetzungen in Russland wurden.

Der Milliardär Michail Prochorow hat ihn mal einen "Marionettenspieler" genannt, der das politische System privatisiert habe. Damit ist Surkow wohl doch seiner ursprünglichen Liebe, dem Theater, treu geblieben. Nur hat er seine Regie auf die politische Bühne übertragen. (André Ballin, DER STANDARD, 30.11.2012)