Graz - Stechende Schmerzen und ein Gefühl von Enge im Brustraum sind typische Symptome bei Patienten mit verengten Herzkranzgefäßen. Kurzfristige Erleichterung können sogenannte NO-Pharmaka wie Nitroglyzerin schaffen. Sie setzen im Körper Stickstoffmonoxid (NO) frei, wodurch sich die Gefäße erweitern und die Durchblutung wieder besser funktioniert. Längerfristige Einnahme verringert jedoch die Wirksamkeit. Grazer Forscher versuchen, die Wirkungszeit dieser Medikamente zu verlängern.

Nitroglyzerin ist bekannt als der explosive Bestandteil des Dynamits. Weniger bekannt ist die medizinische Anwendung von Glyzeryltrinitrat (GTN), wie es auch genannt wird: Wegen seiner gefäßerweiternden Wirkung wird es auch bei Herzerkrankungen eingesetzt. Seinem positiven Eigenschaften steht jedoch ein gravierendes Problem gegenüber: Bei längerer Anwendung verliert es schon bald an Effektivität - ein Phänomen, das als Nitrat-Toleranz bezeichnet wird. Die Ursachen dafür sind noch immer nicht im Detail geklärt - eine Arbeit, der sich Wissenschaftler der Institute für Pharmazeutische Wissenschaften sowie für Molekulare Wissenschaften an der Uni Graz verschrieben haben.

Mittlerweile weiß man, dass das die Aktivierung von GTN zu seiner gefäßerweiternden Funktion in den Kraftwerken der Zellen, den Mitochondrien, stattfindet. Dafür ist ein Enzym namens Aldehyd-Dehydrogenase 2 (ALDH2) verantwortlich, das auch für den Abbau von Alkohol zuständig ist, schildern Karl Gruber und Bernhard Michael Mayer von der Uni Graz. Gleichzeitig gibt es Hinweise, dass paradoxerweise das Glyzeryltrinitrat selbst wiederum zur Inaktivierung von ALDH2 maßgeblich beiträgt.

Einblicke in den Mechanismus

Das Grazer Forscherteam beschäftigt sich mit der Klärung der Schlüsselmechanismen. Nun ist es ihnen im Rahmen eines vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) geförderten Projektes gelungen, mithilfe von kristallografischen und massenspektrometrischen Untersuchungen die dreidimensionale Struktur von ALDH2 in Reaktion mit Nitroglyzerin darzustellen. Es sind Momentaufnahmen des ersten Schrittes des molekularen Reaktion.

"Unsere Ergebnisse liefern neue Einblicke in den Mechanismus der Umsetzung von Nitroglyzerin durch ALDH2", so Gruber. Die Kenntnis der dreidimensionalen Struktur ist wichtig für das Verständnis der Wirkung, den Nachbau im Chemielabor und die gezielte Änderung entsprechender Strukturen mit dem Ziel, die Wirkung zu verbessern. "Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Entwicklung von Herzmedikamenten, die die vorteilhaften Eigenschaften des Nitroglyzerins vereinen, nicht jedoch das Problem des Wirkungsverlustes mit sich bringen", so Mayer. (APA, 29.11.2012)