Berlin - Krebspatienten fühlen sich ihrer Krankheit oft ausgeliefert. Mehr als ein Drittel der Patienten, die eine Strahlentherapie antreten, leidet zusätzlich unter Angst und depressiven Verstimmungen. Beide Symptome sind zu Beginn der Behandlung stark ausgeprägt, bessern sich jedoch im Verlauf der Strahlentherapie deutlich. Entscheidend für die positive Angstbewältigung und den Umgang mit Trauer, Niedergeschlagenheit oder Antriebslosigkeit ist eine ausführliche Aufklärung und Betreuung durch den Arzt, betont die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) anlässlich einer aktuellen Studie des Universitätsklinikums Regensburg.

Noch immer gehört das Thema Krebs in unserer Gesellschaft zu den Tabuthemen. "Da selten offen darüber gesprochen wird, fühlen sich Tumorpatienten häufig isoliert", sagt Jürgen Dunst, Präsident der DEGRO und Direktor der Klinik für Strahlentherapie an der Universität Lübeck. "Das verstärkt die Ängste und macht es noch schwerer, die Krankheit angemessen zu verarbeiten." Angst und depressive Verstimmungen belasten die Patienten und schränken ihre Lebensqualität ein.

Forscher um Oliver Kölbl, Direktor der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Regensburg und Leitlinien-Beauftragter der DEGRO, untersuchten mithilfe eines standardisierten Fragebogens an 60 Krebspatienten. 95 Prozent von ihnen erhielten erstmalig eine Strahlentherapie. Zu drei Zeitpunkten - zu Beginn, zum Ende und sechs Wochen nach Abschluss der Bestrahlung - beantworteten die Probanden den Fragebogen.

Symptome nehmen ab

Zu Beginn der Therapie zeigten 41 Prozent der Patienten auffällige oder grenzwertige Symptome von Angst und 33 Prozent von depressiver Verstimmung. Beide Symptome nahmen im Verlauf der Bestrahlung deutlich ab. Zu den Ursachen befragt, ergänzt der Experte aus Regensburg: "Eine Strahlentherapie zieht sich über mehrere Wochen hin. Die meisten Tumorpatienten wissen anfangs wenig über die Strahlentherapie, und das verunsichert sie." Es habe sich gezeigt, dass die Angst bei den meisten Patienten bereits nach der ersten Strahlentherapiesitzung nachlasse. Je aufgeklärter die Patienten seien, desto schneller verlieren sie die Furcht vor den Apparaten.

Keine Scheu vor Fragen

Kölbl ruft alle Tumorpatienten dazu auf, sich beim behandelnden Arzt ausführlich über Therapiemethoden und -abläufe zu informieren. Es sei zudem Aufgabe der Mediziner, ihren Patienten bei der Angstbewältigung zu helfen. "Es hat sich gezeigt, dass es sinnvoll ist, mit Fragebögen die psychische Situation von Krebspatienten abzubilden", erklärt Kölbl. So könnten ängstliche oder depressive Personen früh bemerkt und entsprechend unterstützt werden.

"Wenn trotz der Beratung die psychische Belastung noch immer sehr hoch ist, sollten Patienten professionelle Hilfe erhalten, zum Beispiel durch einen Psychoonkologen", ergänzt Dunst. Neben dem Arzt können auch Selbsthilfegruppen und Patientenorganisationen helfen. (red, derStandard.at, 29.11.2012)