Wien - Türkische Revierkämpfe, feministischer Punkrock, schwule Palästinenser oder Alltagsbeobachtungen aus einem Währinger Frauenhaus: Das Programm des vom 29. 11. bis 10. 12. in Wien stattfindenden Filmfestivals der Menschenrechte "this human world" wartet mit einem breiten Themenspektrum auf. Zum bereits fünften Mal und erstmals unter der Leitung von Zora Bachmann und Julian Berner sollen auf der Leinwand und in vielfältigen Rahmenveranstaltungen drängende Fragen einer globalisierten Gesellschaft gestellt werden.

Diesmal wird ein allgemeines Programm um zwei Specials zu den Themen Urbanität und Arbeit sowie um vier von Artemis Linhart kuratierte "Film- und Projekttage Riot Grrrl's Not Dead" erweitert. Erstmals kommt es auch zu einem Austausch mit dem geistesverwandten Pravo Ljudski Film Festival aus Sarajevo. Und der traditionelle SchülerInnen-Kurzfilmwettbewerb will Jugendliche zur Auseinandersetzung mit dem Thema Menschenrechte anregen.

Eröffnet wird der bunte Reigen von rund 80 Filmen mit einem Blick in den 18. Wiener Gemeindebezirk. Hier, im Haus Miriam, einem Übergangswohnheim der Caritas für obdachlose Frauen, leistete der Regisseur Arash T. Riahi 2000 seinen Zivildienst ab und durfte einige der Bewohnerinnen mit der Kamera porträtieren. Zehn Jahre später hält er Nachschau, was aus den Frauen geworden ist. Das Ergebnis, Nerven Bruch Zusammen, ist ein diskreter Film, dem es gelingt, zu berühren und neue Einblicke zu verschaffen, ohne seine Protagonistinnen jemals bloßzustellen.

Riahi zeichnet darüber hinaus auch für den Festivaltrailer verantwortlich, der im Zuge des Crossmedia-Projekts "Everyday Rebellion" entstanden ist. Dieses Unternehmen, welches Methoden des gewaltfreien Widerstands dokumentiert und zugänglich macht, wird im Rahmen von this human world näher vorgestellt.

Schatten der Vergangenheit

Ein weiteres Highlight ist die Uraufführung der Dokumentation "Shadows from my Past" von Gita und Curt Kaufman. Nachdem sie 1940 vor dem NS-Regime aus Wien in die USA flüchten musste, kehrte Gita Kaufman Jahre später nach Europa zurück, um mit Kurt Waldheim, Heinz Fischer, Wolfgang Schüssel, Jörg Haider, Fritz Molden u. a. über Moral, Schuld und Verantwortung zu sprechen. Die Schatten der Vergangenheit sind hier als dringende Warnung für die Gegenwart zu verstehen.

Aus fremderen Gefilden kommend, aber Fragen stellend, die uns im Herzen Europas nicht weniger betreffen, ist der beklemmende türkische Spielfilm "Tepenin Ardi (Beyond the Hill)". Emin Alper zeigt darin drei Generationen einer patriarchisch geführten Familie beim gar nicht idyllischen Landurlaub. Zwei gelungene Dokus beleuchten unterschiedliche Seiten des Lebens in Israel. Yariv Mozer porträtiert in "Gvarim Bilti Nir'im (The Invisible Men)" homosexuelle Palästinenser, die sich vor ihren eigenen Familien in den israelischen Untergrund retten mussten. Tamar Tals "Life in Stills" ist das zu Herzen gehende Dokument der Beziehung zwischen der 96-jährigen Miriam Weissenstein und ihrem Enkel Ben. Unbedingte Empfehlung. (Dorian Waller, DER STANDARD, 29.11.2012)