Wien - Heute gibt es Menschenfleisch. Die zwölf Performer von Designed Desires stehen hinter dem Ausgabetresen der ehemaligen Zollamtskantine im Dritten Wiener Gemeindebezirk. Das Publikum steht davor wie zur Fleischbeschau bestellt - und wird tatsächlich abgeholt.

Einer nach dem anderen springen die Darsteller über den Tresen und entführen jeweils eine Handvoll Zuschauer - "Would you come with me?" - in das weitverzweigte Raumnetz. Um dann etwa in einem Kühlraum ungefragt von Pornodrehs zu erzählen.

Designed Desires, Teil drei von Claudia Bosses "Politischen Hybriden", fragt nach dem Körper. Nicht nur nach Körperbiografien und -normierungen, sondern auch danach, ob der Mensch in einer (demokratischen) Gesellschaft überhaupt Herr seines eigenen Begehrens ist - oder ob dieses nicht vielmehr durch ein feinmaschiges Netz aus Konsum und Reglements hervorgebracht wird.

Diese Codes enthüllen sich etwa, wenn von gängigen Pornoszenarien erzählt wird - den Regeln der Erregung. Scheinbar natürliche Verhaltensweisen entlarven sich, wenn ein älterer Mann Pin-up-Posen einnimmt. "Ich habe graue Haare", hört man die Darsteller dazwischen brüllen, oder: "Ich habe große Hände." Banale Äußerungen, die doch zeigen: Sprechen ohne Wertung, so etwas gibt es in Sachen Körper nicht.

Die Darsteller sind zwischen 25 und 76, sie thematisieren Erotik ebenso wie Alter. Ein Mann verteilt seinen Körper im Kühlraum: "Hier habe ich meine Augen positioniert - und hier die Erinnerung an meine Kindheit." Schmerzhaft enthüllt sich die Trauer eines Menschen über die Vergänglichkeit seines Körpers. Anderswo wird dieser explizit politisch: Eine japanische Performerin berichtet, wie sie nach Fukushima aus der Ferne versuchte, die Körper ihrer Freunde zu schützen, indem sie sie mit Informationen versorgte, die in Japan zurückgehalten wurden. Wie hat der Staat Sorge zu tragen um seine Bürger? Und wer entscheidet, welche Körper überhaupt schützenswert sind?

Designed Desires stellt zahlreiche, allesamt hochrelevante Fragen. Claudia Bosse macht daraus eine schlüssige, kluge Performance. Verkopft wird es dabei nie: im unmittelbaren Kontakt von Zuschauern und Performern inmitten des surrealen Settings und hypnotischer Soundkulisse ist das auch ein sehr sinnlicher, ästhetischer Abend. (Andrea Heinz, DER STANDARD, 29.11.2012)