Die Schweiz hat ein Abgeltungssteuerabkommen mit Österreich und England ratifiziert, das dritte Abkommen mit Deutschland ist vergangen Freitag im deutschen Bundesrat gescheitert. Die Steuerabkommen mit den Nachbarländern bezwecken vor allem zwei Dinge: Zum einen soll die Vergangenheit geregelt werden, sprich die Abgeltung alter Schwarzgeldbestände auf Schweizer Bankkonten (Studien schätzen, dass bis zu 80 Prozent der Gelder aus der EU unversteuert sind. Das sind über 500 Milliarden Euro). Zum anderen soll die Abgeltungssteuer als langfristiges Modell und als Alternative zum Automatischen Informationsaustausch (AIA) etabliert werden. Dieser ominöse AIA wäre einhergehend mit dem Ende des Bankgeheimnisses und damit des Geschäftes mit Schwarzgeld - eine Horrorvorstellung für die Schweizer Regierung und den Finanzplatz, wobei die beiden „Institutionen" in der Schweiz politisch weitgehend als deckungsgleich zu betrachten sind. Es ist daher auch kein Zufall, dass die Abkommen genau mit folgenden drei Staaten angestrebt werden. Mit Deutschland und Großbritannien sollen die schärfsten Kritiker und Konkurrenten des Zürcher Paradeplatzes ruhiggestellt und mit Österreich der Bund mit einem Land geschlossen werden, das ebenfalls ein Bankgeheimnis kennt. Damit versucht sich die Schweizer Elite gegen ihr schlussendlich unvermeidbares Schicksal zu stemmen und die europäische Position zu spalten. Diese Strategie ist so verheerend wie aussichtslos.

Eine Generalamnestie für Steuerbetrüger

Die Abkommen sind aus verschiedenen Gründen problematisch. Einerseits weisen sie eine Reihe von Lücken auf, angefangen bei der berühmten "Abschleicherei". Bis zum Inkrafttreten der Abkommen ist es ein Leichtes, sein Geld unbemerkt in eine andere Steueroase zu verschieben, z.B. auf die Cayman Islands. Die Schweizer Großbanken sind momentan vor allem damit beschäftigt, die Welt vom Gegenteil zu überzeugen. Das ist durchaus sinnvoll, denn es spielt den Betrügern in die Hände: Ein deutscher Steuerbetrüger kann sein Schwarzgeld in der Schweiz einfach seinem Schweizer Anwalt überschreiben und es verschwindet vom Radar der deutschen Steuerfahnder. Es ist der Schweiz also gelungen, dass die Abkommen heute vor allem eines sind: eine Generalamnestie für Steuerbetrüger.

Die FU Berlin hat aufgedeckt, dass ein Großteil der von der Amnestie betroffenen Betrüger nie die öffentlich kommunizierten Höchstsätze bezahlen wird - Steuerbetrug wird zum Kavaliersdelikt degradiert. Die fehlenden Staatseinnahmen dürfen seit Jahren deutsche Rentner, Studenten, Familien berappen. Die Abkommen sind Schläge ins Gesicht von jedem ehrlichen Steuerzahler. Von Steuergerechtigkeit kann keine Rede sein, wenn sich die Reichen so einfach aus der gesellschaftlichen Verantwortung verabschieden können. Das kann weder für Schweizer noch Deutsche eine akzeptable Lösung sein.

Die Zukunft gehört dem Automatischen Informationsaustausch

Ob die Schweiz das nun wahrhaben will oder nicht, die Zukunft gehört dem Automatischen Informationsaustausch. Die USA setzen gerade mit fragwürdigen Mitteln die weltweite Übernahme der FATCA-Beschlüsse durch. FATCA ist eine Art einseitiger, automatischer Informationsfluss. Damit sollen alle Länder der Welt gezwungen werden, der US-Steuerbehörde weitgehende Informationen über Konten von US-Bürgern auszuhändigen. Die Ratifizierung wird aber innereuropäische Folgen haben: Lange wird es die EU nicht dulden, dass Luxemburg und Österreich den USA mehr Rechte einräumen als den anderen EU-Mitgliedstaaten. Und wenn dann Österreich fällt, verliert die Schweiz ihren letzten Verbündeten.

Die Schweiz wird von heute auf morgen und unvorbereitet den Druck Europas zu spüren bekommen und das Bankgeheimnis fallen lassen müssen - mit verheerenden Folgen für Arbeitsplätze und Wohlstand.

Die einzige Alternative besteht darin, bereits heute und eigenständig eine konsequente "Weißgeldstrategie" einzuschlagen. Zur Beilegung der Vergangenheit kann die Abgeltungssteuer tatsächlich eine mögliche Variante sein, jedoch nicht für die Zukunft. Die Schweizer Banken müssen von ihrem Geschäftsmodell "Schwarzgeld" definitiv Abschied nehmen, den AIA nicht weiter bekämpfen und einwilligen, ausländische Kundengelder in Zukunft nur noch gegen Vorlage einer Steuerbescheinigung des Heimatlandes anzunehmen. Die aktuelle Strategie à la "Augen zu und durch!" endet zwangsläufig in einer Sackgasse. (Cédric Wermuth, 27.11.2012, derStandard.at)