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Mohamed Mursi unter Druck.

Foto: EPA/OLIVIER HOSLET

Kairo - Ägyptens Präsident Mohammed Mursi will trotz des Widerstandes der Opposition und der Justiz nicht von seiner umstrittenen Verfassungserklärung abrücken. Das sagte sein Sprecher, Yassir Ali, am späten Montagabend nach einer Zusammenkunft des islamistischen Präsidenten mit Vertretern des Obersten Richterrates. Die Richter betonten anschließend, das Treffen sei "gescheitert". In Kairo kam es zu weiteren Protesten.

Zahlreiche Richter erschienen aus Protest gegen die Entmachtung der Justiz durch Präsident Mursi am Dienstag zum dritten Mal in Folge nicht zur Arbeit. Die ägyptische Polizei hat während der seit einer Woche andauernden Proteste in Kairo 348 Menschen festgenommen. 109 von ihnen wurden in Untersuchungshaft genommen. Das berichtete der Polizeigeneral Osama al-Saghir am Dienstag.

In den Reihen der Polizei, die teilweise mit Steinen beworfen worden war, gab es seinen Angaben zufolge seit Montag vergangener Woche 216 Verletzte. Gewalttätige Demonstranten hätten 22 Fahrzeuge der Polizei zerstört.

Die Demonstrationen hatten sich Anfang vergangener Woche zunächst gegen das Innenministerium gerichtet. Nachdem Mursi am Donnerstagabend eine Verfassungserklärung verkünden ließ, mit der seine Macht gestärkt wird, war die Protestwelle deutlich angeschwollen. Augenzeugen berichteten, unter den Demonstranten hätten sich mehrfach Jugendliche gemischt, die offensichtlich aus purer Lust am Randalieren auf die Polizei losgingen und auch privates Eigentum beschädigten.

Am Dienstagvormittag versammelten sich Hunderte Demonstranten auf dem zentralen Tahir-Platz, wo Gegner Mursis bereits die ganze Nacht über ausgeharrt hatten. Für den Nachmittag wurde mit einem großen Zustrom weiterer Demonstranten zu der Kundgebung gerechnet, zu der liberale, linke und sozialistische Gruppen aufgerufen hatten. Sie werfen Mursi diktatorisches Verhalten vor.

Auch in anderen Städten Ägyptens sind Demonstrationen geplant. Schon in den vergangenen Tagen hatte es viele Proteste gegeben, die teils in Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern Mursis mündeten. Ein Mensch wurde getötet.

Die Proteste gingen damit in den fünften Tag in Folge. An der Resonanz wird sich ablesen lassen, wie groß die Unterstützung der Mursi-Gegner ist. Eine erste direkte Machtprobe zwischen beiden Lagern konnte am Dienstag vermieden werden. Die Moslembruderschaft und andere streng religiös ausgerichteten Gruppen sagten Demonstrationen zur Unterstützung Mursis ab.

Der Vize-Chef der Partei der Muslimbruderschaft, Essam al-Arian, kritisierte jedoch Medien, die Mursi in den vergangenen Tagen als "Diktator" oder "neuen Pharao" bezeichnet hatten. Er beschimpfte die Organisatoren der Anti-Mursi-Proteste als "Überbleibsel des alten Regimes", die sich der Revolution in den Weg stellten.

Der Tahir-Platz in der Kairoer Innenstadt ist von hoher symbolischer Bedeutung. Hier nahmen die Proteste ihren Anfang, die zum Sturz des autokratisch regierenden früheren Präsidenten Hosni Mubarak und zur Wahl des Moslembruders Mursi zu seinem Nachfolger geführt hatten.

Eine von den Moslembrüdern und anderen orthodox islamisch ausgerichteten Gruppen dominierte verfassungsgebende Versammlung soll nun die Grundlagen des neuen ägyptischen Staatswesens ausarbeiten. Weltlich ausgerichtete Ägypter fürchten, dass die Weichen für einen islamistischen Staat gestellt werden könnten und sehen in dem Vorgehen Mursis erste Belege dafür.

Amnesty International erkennt in Mursis Machtanspruch einen "Freifahrtschein für Menschenrechtsverletzungen", wie es in einer Aussendung am Dienstag heißt. "Die Befugnisse, die er (Mursi) sich selbst zugestanden hat, treten den Rechtsstaat mit Füßen."

Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, meinte dazu: "Es ist schockierend, dass Präsident Mursi, der einstmals ein Symbol der Hoffnung war, jetzt den Rechtsstaat aushebelt, um mit undemokratischen Mitteln seine Ziele schneller erreichen zu können." Amnesty International fordert Präsident Mursi daher auf, die Verfassungsänderung vom 22. November sowie das "Gesetz zum Schutz der Revolution" umgehend zu widerrufen. (APA/Reuters, 26.11.2012)