Die Waffen schweigen nach acht Tagen der Bomben und des Raketenfeuers um den Gazastreifen, aber die Angst vor einer neuen Eskalation bleibt auf beiden Seiten. Der kurze Gaza-Krieg forderte 163 palästinensische und sechs jüdische Todesopfer. Dass kurz vor Beginn der Waffenruhe bei einem Busanschlag in Tel Aviv 17 Menschen verletzt wurden, hat in Israel auch deshalb besondere Sorge ausgelöst, weil der Täter ein Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft gewesen war. Mehr als 1,5 Millionen der rund sieben Millionen Einwohner Israels sind Araber, und ihre Loyalität zum jüdischen Staat wurde bei gewaltsamen Aus einandersetzungen in den besetzten Gebieten und bei den Libanon- und Gaza-Kriegen wiederholt auf eine harte Probe gestellt.

Die Hoffnungslosigkeit in dem mittelöstlichen Teufelskreis der Gewalt ist die eigentliche Botschaft eines mutigen, ehrlichen und berührenden Leitartikels in der Literarischen Welt (24. November), den die angesehene israelische Schriftstellerin Zeruya Shalev (selbst bei einem Terroranschlag 2004 in Jerusalem schwer verletzt) verfasst hat. Die stets für einen friedlichen Dialog eintretende Autorin weist auf den einseitigen Rückzug vor sieben Jahren aus Gaza trotz des Widerstands von mehreren zehntausend israelischen Einwohnern und auch auf die Räumung der besetzten Region in Libanon hin und schließt mit der bitteren Schlussfolgerung: "Es ist zum Verzweifeln: Jedes Stück Land, aus dem Israel abzieht, füllt sich mit Extremisten, die es vernichten wollen, und nicht mit gemäßigten Kräften, die friedlich an seiner Seite leben möchten."

So habe es auch vor dem 1948er-Krieg angefangen, meint die vor einigen Tagen mit dem Welt-Literaturpreis ausgezeichnete Schriftstellerin: "Zweifellos hat jenes Streben, nicht an unserer Seite, sondern an unserer Stelle zu leben, die Katastrophe der Palästinenser ausgelöst und unsere Katastrophe gleich mit." Trotz der verspielten Chancen und des wachsenden Hasses plädiert Zeruya Shalev dafür, die Gemäßigten unter den Palästinensern zu stärken und jedes kleinste Hoffnungszeichen zu ergreifen.

Die Hamas hat in diesem Jahr vor den jüngsten Gegenschlägen 750 bis 800 Raketen auf israelische Städte und zivile Einrichtungen abgefeuert. Trotzdem nannte der türkische Ministerpräsident Erdogan Israel einen terroristischen Staat, und auch der ägyptische Präsident Morsi (als selbstgemachter "neuer Pharao" Zielscheibe großer Protestdemonstrationen) hatte ausschließlich Israel für den Konflikt verantwortlich gemacht. Die weltweit blitzschnell verbreiteten Fotos über die vom israelischen Bombenhagel getöteten oder verletzten Kinder wirken unvergleichlich stärker als die fast zur Routine gewordenen Zahlen über das tägliche Blutbad in Syrien. Die Unterstützung der Hamas durch Ägypten, die Türkei und Katar spiegelt die zunehmende Isolierung der auch im Westen kritisierten Netanjahu-Liebermann-Regierung wider.

Israel steht am Pranger und muss mit dem Hass der arabischen Nachbarn leben. Mit jedem trügerischen Sieg schafft es immer radikalere Feinde. Nur durch den Druck der USA und der EU könnte der Weg zu einem Dialog statt zu einer neuen Runde der Gewalt gefunden werden. (DER STANDARD, 27.11.2012)