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Während die internationale Klimadiplomatie stagniert, beobachtet der Vorsitzende des Weltklimarates, Rajendra Pachauri, viele nationale Initiativen hin zu einer Low-Carbon-Economy.

Foto: REUTERS/Denis Balibouse

Zweckoptimismus oder Diplomatie? Rajendra Pachauri, Chef des UN-Weltklimarates, zeigt sich im Gespräch mit Johanna Ruzicka hoffnungsvoll, dass die Klimapolitik aus der Sackgasse geholt wird.

Standard: Mit welchen Gefühlen starten Sie die UN-Klimakonferenz in Doha?

Pachauri: Nun, es geht nicht um Gefühle. Ich denke, wenn die Delegierten auf die wissenschaftlichen Arbeiten der letzten Jahre fokussieren, wird ihnen klarwerden, dass es zu Aktionen kommen muss. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) hat in den letzten Jahren zwei Special Reports herausgegeben, die beide eine klare Sprache sprechen und das Risikopotenzial von Nichthandeln ansprechen.

Standard: Welche Reports?

Pachauri: Der IPCC-Report über die Risiken von Extremereignissen und Katastrophen zeigt klar auf, dass es zu noch mehr solcher Extremereignissen kommen wird als bisher: Hitzewellen, Starkregen oder Küstenhochwasser. So werden zum Beispiel Tageshöchsttemperaturen, die gegenwärtig nur alle 20 Jahre erreicht werden, bis Ende des 21. Jahrhunderts in den meisten Regionen bereits alle zwei Jahre wiederkehren. Und der Report zu erneuerbaren Energien und der Verminderung des Klimawandels zeigt Lösungswege auf. Ich denke, die Wissenschaft hat geliefert und es liegt an den Delegierten bzw. der Politik, darauf zu reagieren.

Standard: Sie sehen also Chancen, dass es in Doha zu einem Folgeabkommen zum Kioto-Protokoll kommt?

Pachauri: Das soll die Politik entscheiden, ob Klimaschutzpolitik künftig mit oder ohne Kioto-Folgevertrag gemacht wird. Was ich sehe, sind sehr viele Einzelinitiativen. Zum Beispiel von China, das hohe Anstrengungen unternimmt, um zu einer Low-Carbon-Economy zu werden, also einer Wirtschaft, die von fossilen Energien möglichst unabhängig ist. Interessante Initiativen gibt es auch in Kalifornien, Japan und Indien.

Standard: Sind solche Initiativen genug, um optimistisch zu sein?

Pachauri: Nun, man muss festhalten, dass schon auch etwas weitergeht. Trotzdem muss man, gerade aufgrund der IPCC-Berichte, sehen, dass es zu kurz- und mittelfristigen Maßnahmen im Bereich Klimawandelanpassung kommen muss, da ein Turnaround bei der Erderwärmung nicht so schnell bewerkstelligt werden kann.

Standard: Das IPCC hat zu dieser Frage auch einen Bericht zu CCS, Carbon Capture Storage, herausgebracht. Ist das unterirdische Bunkern von Treibhausgasen in dem Zusammenhang eine Option?

Pachauri: Leider nicht, besonders nicht kurzfristig. Es gibt weltweit noch immer keine kommerziell funktionierende Großanlage. Da ist noch viel Forschung nötig.

Standard: Bei all den Klimakatastrophen-Vorhersagen, die es gibt, wie kann die weltweite durchschnittliche Erderwärmung auf zwei Grad plus begrenzt werden?

Pachauri: Es wird schwierig, aber nicht unmöglich. Ich hoffe, dass jetzt in Doha klar wird, dass jeder Staat einen Plan zum Aufbau einer " Green Economy" benötigt, ähnlich wie die Europäische Union bereits einen hat.
(Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 27.11.2012)